Der viel zu schoene Traum
Gleichgültigkeit zeigen.
Der Kuss war ein Fehler gewesen. Hawk hatte das bereits in dem Moment gewusst, in dem er der Versuchung nachgab.
Eigentlich hatte er Ella nur freundschaftlich auf die Wange küssen wollen, als Dankeschön und Zeichen der Sympathie.
Aber plötzlich und unerwartet war ein Verlangen in ihm erwacht, dass er längst begraben geglaubt hatte. Er hatte schon so manche Frau geküsst, aber keine hatte ihn derart schnell alles andere um sich herum vergessen lassen. Wer hätte gedacht, dass diese rothaarige Mary Poppins, die er spontan engagiert hatte, solche Gefühle in ihm weckte. Und das mit der gleichen Leichtigkeit, mit der sie seine Kinder zum Lachen brachte.
An seine Kinder sollte er überhaupt als Erstes denken. Er durfte ihr Glück nicht einfach so aufs Spiel setzen, und Ella war das Beste, was ihnen seit Laurens Tod passiert war. Er war immer stolz gewesen auf seine Fähigkeit, wohl überlegte Entscheidungen zu treffen. Sie hatte ihn dahin gebracht, wo er jetzt war-an die Spitze seines lukrativen Unternehmens. Es gab keine Entschuldigung dafür, dass er dieses wundervolle Kindermädchen derart verschreckte, dass es vielleicht sein Haus verließ.
Eine Entschuldigung gab es nicht, aber magische grüne Augen, die in ihrer Tiefe das Geheimnis des Glücks zu bergen schienen.
Lauren war der Meinung gewesen, dass man Glück mit Geld kaufen konnte. Doch sie war auf der Suche nach etwas gestorben, das er ihr mit seinem Geld niemals hätte kaufen können. Er fühlte sich deswegen wie ein Versager. Er hatte seine Frau nicht glücklich machen können. Vielleicht war Lauren nur deshalb zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Das Bild ihres schönen Körpers, kalt und reglos nach dem tödlichen Autounfall, tauchte immer wieder vor seinem inneren Auge auf.
Dass jetzt eine schöne junge Frau Gefühle der Leidenschaft in ihm weckte, machte seine Schuldgefühle nicht kleiner. Nein, er durfte nicht alles aufs Spiel setzen, was er sich erarbeitet hatte.
Dazu war er zu vernünftig. Er hatte Kinder, er hatte ein Unternehmen zu führen, und seine Midlifecrisis war hoffentlich noch in weiter Ferne. Er war jetzt vierunddreißig Jahre alt und hatte immer nur Mitleid gehabt mit jenen alternden Männern, die jüngeren Frauen nachjagten, um ihre Jugend wieder zu erlangen.
Nach derart nüchternen Überlegungen hätte Hawk froh sein müssen, Ella am nächsten Morgen in einem weiten langen Sweatshirt über den unvermeidlichen Jeans zu sehen. Stattdessen belustigte es ihn, dass sie ihre sexy Figur offenbar zu verstecken versuchte. Aber ihn legte sie damit nicht herein! Er wusste genau, was sich unter diesem sackartigen Oberteil verbarg.
„Guten Morgen”, sagte er gespielt munter, als sei nichts passiert.
„Guten Morgen”, sagte Ella im gleichen Tonfall. Sie wollte sich nicht anmerken, dass bei seinem Anblick ihr Herz einen so gewaltigen Sprung machte, dass sie fast den Pfannenwender fallen ließ. Aber sie befürchtete, die Röte, die ihr ins Gesicht stieg, verriet sie wieder einmal.
„Brauchen Sie Hilfe?” fragte Hawk.
„Nein!” rief Ella wie aus der Pistole geschossen. „Es geht schon”, sagte sie dann. „Aber danke für das Angebot.”
Sie sah, dass er ein Lachen unterdrückte, und wandte sich der Besteckschublade am anderen Ende der Küche zu.
„Weißt du, ich fühle mich langsam wirklich wie ein Ungeheuer, wenn du so weitermachst”, sagte Hawk. Er trat näher auf sie zu und drängte sie damit buchstäblich in die Ecke.
Ein süßes Sehnen erfasste sie. Es knisterte förmlich zwischen ihnen vor erotischer Spannung. Außerdem war Hawk dazu übergegangen, sie zu duzen. Sprachlos blickte sie ihn an und sah, dass er bereits gründlich rasiert war. Immer tadellos und kontrolliert, obwohl er mitten auf dem Land wohnt, dachte Ella anerkennend. Sein Haar war noch ein wenig feucht vom Duschen, und sie sog seinen männlichen Duft ein, was unvermeidlich Erinnerungen an gestern Abend in ihr weckte.
„Würde es dir helfen, wenn ich mich für gestern Abend entschuldige?”
Darauf war Ella nicht vorbereitet gewesen. Viel lieber wäre ihr eine Entschuldigung für seinen abrupten Rückzug gewesen, nachdem er sie derart angeheizt hatte. Sie war versucht, gnädig zu nicken und dann weiter im Pfannkuchenteig rühren, da es ihm offenbar so leicht fiel, den Kuss zu vergessen.
„Eine Dame schätzt es nicht, wenn man sich dafür entschuldigt, sie geküsst zu haben”, hörte sie sich ziemlich gereizt sagen
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