Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
Vom Netzwerk:
ihre Stiefel auf dem Schreibtisch ab. » Broken Wings ist eine israelische Produktion, relativ unbekannt.«
    »Den kenne ich.« Photini erinnerte sich an einen einsamen Kinoabend, der schon längere Zeit zurücklag. »Das ist nichts Politisches. Die Geschichte spielt in Haifa. Eine Witwe und ihre Kinder versuchen, den Tod des Vaters zu verarbeiten.«
    »Trotzdem könnten eine Menge Leute etwas dagegen haben«, warf Paul ein.
    »Islamisten?« Raupach schüttelte den Kopf. Er nahm seinen großen Flusskiesel in die Hand und befühlte die abgerundeten Kanten. »Das wenige, was wir über Aalund wissen, deutet auf rechtsextreme Kreise hin. Vielleicht wollten die Neonazis für Zündstoff sorgen.«
    Paul erhob sich. Seine Schicht hatte von der Nacht auf den Tag gewechselt. Er musste los. »Den Neonazis ist so ein kleiner Film viel zu unwichtig. Außerdem gehen die offener vor.«
    »Als Gruppe, stimmt«, widersprach Heide. »Aber ein einzelner Neonazi, ein ausgerasteter, versprengter, kann so einen Anschlag auf eigene Rechnung verüben.«
    »Warum dann das Schiller-Zitat?« Es kam Raupach vor, als drehten sie sich im Kreis. Paul gab Heide einen flüchtigen Kuss und verließ das Archiv.
    »Ich sehe da keinen Widerspruch.« Photini nahm wieder das Gedicht zur Hand. »Eine Saat soll keimen, zum Segen, nach des Himmels Rat«, umschrieb sie die Strophe. »Das kann durchaus politisch gemeint sein. Eine Art Aufruf. Außerdem ist Schiller so etwas wie ein Nationaldichter. Der wurde auch früher schon instrumentalisiert.«
    »Ich glaube nicht, dass es da einen Bezug gibt«, widersprach Raupach. »Die ersten beiden Briefe lassen sich beim besten Willen nicht politisch interpretieren, ebenso der Brand auf dem Spielplatz und in der Diskothek. Wenn überhaupt, wäre eine Mischform denkbar. Ein Einzeltäter mit einem eher vagen politischen Hintergrund, aber mit spezifischen persönlichen Motiven. Deswegen tun wir uns so schwer zusammenzubringen, was offenbar nicht zusammengehört.«
    »Wo war eigentlich Christian Tiedke gestern Abend?«, fragte Heide. »Hat das schon jemand überprüft?«
    »Tiedke ist dein Mann«, sagte Raupach, legte den Stein wieder hin und richtete sich plötzlich auf. »An das Nächstliegende haben wir nicht gedacht. Falls Tiedke im Apollo saß …«
    »Oder Aalund …«, ergänzte Heide.
    »Bekäme der Anschlag einen Sinn. Auch wenn wir nicht wissen, warum es jemand auf die Barbarossa-Musiker abgesehen hat.« Raupach fiel Valeries Aussage ein. Er sah in seinem Notizbuch nach. »Die Frau von Jef Braq war kürzlich im Kino. In Broken Wings! Moment.« Er ging ins Internet, rief das Kölner Filmprogramm auf und startete eine Suchanfrage. Das Ergebnis erschien auf seinem Bildschirm. » Broken Wings lief nur im Apollo. Valerie Braq könnte also auch das Ziel gewesen sein.«
    »Ich kümmere mich um Tiedke.« Heide nahm die Stiefel von Raupachs Schreibtisch. In ihrem Büro türmte sich die Arbeit, Woytas hatte sie mit dem Tankstellenüberfall betraut. Sie wandte sich zum Gehen. »Und ich finde heraus, was Woytas darüber weiß.«
    Photini schlüpfte in ihre schwarze Daunenjacke und begleitete Heide. Raupach blieb allein zurück. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er der Einzige war, der nichts Dringendes zu tun hatte. Er erwog, Photini zu folgen, ließ es dann aber bleiben. Es war besser, wenn sie alleine loszog.
    Raupach schaffte die überzähligen Stühle in einen Abstellraum, wo Büromaterialien lagerten. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, verschränkte die Hände und stützte sein Kinn darauf. Er starrte eine Weile vor sich hin, wie er es gern tat, um sich von vorgefassten Gedanken zu befreien. Dann betrachtete er den Kalender mit dem nackten Mädchen. Effie von der Spurensicherung. Miss Februar. Ihre Pose war überhaupt nicht vulgär, sondern eher desinteressiert und leicht vom Betrachter weggedreht. Man sah nur die Brüste, keine intimeren Stellen. Ihre Arme und Schultern waren ungewöhnlich muskulös. Bestimmt trieb sie regelmäßig Sport.
    Raupach lächelte. Der Blick des Mädchens gefiel ihm. Was mochte ihr bei der Fotosession durch den Kopf gegangen sein, wenn sie an die Käufer eines solchen Kalenders dachte? An all die Spanner, die sich an einer entblößten Polizistin aufgeilten? Oder an die normalen Leute, die schon im Spätprogramm Frauen in pornoreifen Verrenkungen zu sehen bekamen? Effie schien sich dessen bewusst zu sein. Sie hatte sich trotzdem ausgezogen und zeigte ihren kräftigen Körper, als sei

Weitere Kostenlose Bücher