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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Drohbriefe, von denen Sie sicher in der Zeitung gelesen haben, müssen wir uns noch einmal mit dem Tod Ihrer Frau befassen.«
    »Ich lese keine Zeitung. Was sind das für Briefe, von denen Sie da reden?«
    »Branddrohungen, verklausuliert mit Auszügen aus einem Schiller-Gedicht. Das gleiche Gedicht taucht in einer alten Zeugenaussage zum Tod von Marta Tobisch auf. Kommissar Raupach hat Ihnen doch gesagt, dass dieses Zitat für uns von großer Wichtigkeit ist.«
    »Ja. Und er war um einiges freundlicher als Sie.«
    »Ich will Sie nicht lange aufhalten, deswegen bin ich so kurz angebunden«, sagte Photini zu ihrer Verteidigung. Sie wollte ihm keine Zeit zum Überlegen geben. »Haben Sie eine Schiller-Ausgabe da? Mit den Gedichten?«
    »In der Klassikerabteilung. Das ist im ersten Stock. Sie finden mühelos hin.« Land ging zum nächsten Computerterminal. »Ich muss mich jetzt um die Nachbestellungen kümmern.« Offenbar hatte er genug von der Unterhaltung.
    »Noch ein Letztes«, sagte Photini. »Wo waren Sie in der Nacht vom dreißigsten November auf den ersten Dezember?«
    »Wie?«
    »Soll ich es wiederholen?«
    »Nein.« Er dachte kurz nach. »Da war ich zu Hause. Allein.«
    »Kann das jemand bestätigen? Ein Bewohner in Ihrem Haus? Oder ein Anrufer?«
    »Ich fürchte nein. Ich bin früh zu Bett gegangen.«
    »Wann genau?«
    »Um punkt zehn. Brauche ich ein Alibi?«
    »Unter Umständen. Wie ist es mit dem fünften Dezember um 22 Uhr 15? Das war vor drei Tagen. Freitags.«
    »Da war ich in einem Konzert. In der Philharmonie. Chopin, mit Maurizio Pollini.«
    »Können Sie das belegen?«
    »Durchaus«, sagte Land. »Wenn Sie kurz warten möchten.«
    »Ich gehe lieber mit, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    Er bedachte sie mit einem misstrauischen Blick und begab sich in einen kleinen Raum, in dem die Angestellten der Buchhandlung ihre persönlichen Sachen aufbewahrten. Photini folgte ihm.
    Land ging zur Garderobe und durchsuchte die Taschen seiner Winterjacke. Es war ein Dufflecoat. Ein nostalgisches Kleidungsstück, dachte Photini. Ihr alter Englischlehrer hatte einen Dufflecoat getragen.
    »Hier.« Land reichte ihr eine Eintrittskarte. Der Beginn des Konzerts war aufgedruckt, 20 Uhr. »Mit den Pausen hat es über zwei Stunden gedauert.«
    Das bewies gar nichts, dachte Photini. Land konnte das Konzert frühzeitig verlassen haben. Aber sie musste sich damit zufrieden geben. Von klassischer Musik hatte sie keine Ahnung. »Lohnte es sich?«
    »Aber natürlich! Es war beeindruckend, auf höchstem Niveau. Pollini ist ein begnadeter Pianist.«
    »Was hatte er an?«
    »Wie bitte?«, fragte Land.
    »Wie war er gekleidet? Das müssten Sie doch noch wissen.«
    »Er trug einen Frack. Mit einer weißen Fliege.« Land wirkte belustigt. »Wollen Sie auch seine Schuhgröße wissen?«
    »Wo waren Sie gestern Nacht? Um 0 Uhr 30?«
    »Ich habe geschlafen. Ohne Zeugen, ich lebe allein.«
    »Schönen Tag noch«, gab Photini knapp zurück und ließ ihn stehen. Sie fuhr mit der Rolltreppe in den ersten Stock. Land hatte sich nicht aus der Reserve locken lassen. Aber vertrauenswürdig kam ihr seine ablehnende Haltung nicht vor. Sie durchforstete alle Schiller-Ausgaben. Das Druckbild ähnelte sich. Sie verglich es mit ihren Fotokopien der Drohbriefe. Von markanten Übereinstimmungen konnte man nicht sprechen. Als sie die Buchhandlung verließ, fielen ihr die Prospekte auf, die am Eingang auslagen. Jeder Verlag hatte sein eigenes Auftreten, wollte sich mit Hilfe von Lettern ein Gesicht geben. Das war nicht so einfach bei der unübersehbaren Menge des Buchangebots. Photini nahm einen Packen mit.
    Johan faltete die Zeitung zusammen. Pollini hatte tatsächlich Frack und Fliege getragen, wie aus einem Konzertfoto hervorging. Manche Dinge änderten sich nie. Er steckte die Eintrittskarte, die er sich vor der Arbeit aus der Wohnung von Mattes und Thierry geborgt hatte, in seinen Dufflecoat zurück.
    Es war gut gelaufen, trotz Marta. Sie musste still sein, wenn er mit der Polizei sprach, sonst konnte er sich nicht konzentrieren. Jetzt schwieg sie. Wieder gekränkt, nahm er an. Er hatte getan, was sie verlangt hatte. Mit einem anderen Ergebnis, als von Marta vorgesehen war. Keine Verletzten oder Toten. Aber mit unangenehmen Konsequenzen. Er hatte dieser jungen Kommissarin die Unwahrheit sagen müssen. Konnte Marta nicht die nächsten fünfzehn Tage über schweigen? Bis es so weit war? Was mochte sie in ihrem Tunnel denken, allein, ohne ihn?

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