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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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enthielt eine genaue Auflistung der Sachen, die sie angehabt und bei sich getragen hatte. Das Mädchen hieß Babette. Er stellte sich vor, wie sie auf der Brücke gestanden und nach unten gesehen hatte, mit einer Mischung aus Triumph und Angst, wie der Blick des Mädchens auf der Eisbahn. Das Gefühl, Herr über das eigene Leben und den eigenen Tod zu sein – das war der Triumph. Die Wucht, mit der sich diese Erkenntnis einstellte – das war die Angst.
    Sie hatte einen schwarzen Ledermantel getragen, darunter ein schwarzes T-Shirt. Eine schwarze Lederhose mit Schnürung an der Seite, schwarze Schnallenschuhe. »Gothic« nannte man das. Es kam ihm nicht exzentrischer vor als andere Moden. Wenn die Menschen sich nicht darüber im Klaren waren, welchen Platz sie einnehmen wollten in der Welt, trugen sie Schwarz. Das bedeutete alles und nichts. Eher nichts.
    Babette hatte sich im Internet an einem Suizid-Forum beteiligt. »Ich gehe«, waren die letzten Worte, die sie in den Chat eingegeben hatte. Raupach studierte die farbigen Ausdrucke aus dem Internet. Rote Schrift auf schwarzem Grund. Das Forum war auf Druck der Öffentlichkeit geschlossen worden. Unter einem anderen Namen existierte es vermutlich weiter.
    »Sie hat ihren Selbstmord geplant und bewusst in Szene gesetzt«, murmelte er.
    »Ihr Freund hat etwas anderes ausgesagt.« Photini trat neben ihn und stellte ihm eine dampfende Tasse hin. Sie legte Wert auf diese kleinen Gesten. Sie erleichterten die Zusammenarbeit, ohne viel Worte zu machen. Im Grunde hielt sie sich für einen umgänglichen Menschen. Das täten viele Leute, die in Wahrheit alles andere als umgänglich sind, hatte Raupach gesagt, als sie einmal mit der 18 nach Schloss Augustusburg gefahren waren, um sich über Photinis Probleme mit den Kollegen zu unterhalten. Der Ausflug war recht einsilbig verlaufen.
    »Danke.« Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. Warum machte sie den Kaffee immer so stark?
    »Sie wollten zusammen durchbrennen. Aber das weißt du ja sicher.« Photini hatte sich die digitalisierte Version der Akte auf den Bildschirm geholt, als sie zum Dienst gekommen war. Wenn Raupach einen alten Fall ohne offiziellen Auftrag rekonstruierte, unterstützte sie ihn ohne Vorbehalte.
    »Ursprünglich wollten sie gemeinsam springen«, sagte er, »Hand in Hand. Das geht aus dem Chat-Protokoll hervor. Und dann dieser angebliche Sinneswandel. Deswegen wurde ihr Freund als unglaubwürdig eingestuft.«
    Photini verschränkte die Arme hinter ihrem Nacken. Sie tastete nach dem Verschluss ihres Kettchens. Nach einer Weile gelang es ihr, ihn zu öffnen. Sie krempelte den Kragen ihres Rollkragenpullovers herunter und nahm die Kette ab. »Vielleicht hilft dir das.«
    An dem Goldkettchen, das sie hochhielt, baumelte ein orthodoxes Kreuz. Sie ließ es auf eines der Fotos fallen. »So etwas Ähnliches hatte sie in ihrer Hosentasche.«
    Er betrachtete das Schmuckstück. Die Balken des Kreuzes waren ungewöhnlich dick. Es sah kostbar aus.
    »Das hab ich seit meiner Taufe. Meine Eltern haben es kurz nach meiner Geburt gekauft.« Sie nahm die Akte und blätterte darin. Dann zog sie ein Blatt hervor und legte es Raupach hin. »Die Kette war 22 Zentimeter lang. Das reicht gerade mal einem Baby um den Hals.«
    »Babette war doch nicht schwanger«, wunderte er sich. Nachdenklich ließ er die Kette durch die Finger gleiten. »Wenn sie von ihrem Freund ein Kind erwartet hätte, wäre das ein Grund gewesen, ihre Selbstmordpläne fallen zu lassen. Aber die Gerichtsmedizin konnte nichts dergleichen feststellen.«
    »Sie hatte einen dreijährigen Bruder namens Frederik. Auffällig jung in Hinblick auf das Alter ihrer Mutter. Das Kreuz könnte ihm gehört haben.«
    »Eine schwache Prämisse. Mach weiter.«
    »Die Familie wohnte in Juntersdorf, einem Ort bei Zülpich. Kurz nach der Geburt von Frederik zogen sie nach Köln. Babette hatte Probleme in der Schule, schon in Zülpich, wo sie wegen einer Drüsenkrankheit längere Zeit gefehlt hat. Weißt du, was mit ihrem Vater passiert ist?«
    Raupach schob ein paar Fotografien beiseite und suchte nach den Notizen, die er vor dem Wochenende gemacht hatte. Wie ein Kind beim Ostereiersuchen. Photini wusste, wo der Zettel lag, sagte aber nichts. Schließlich fand er ihn. Er klemmte unter dem Mousepad.
    »Hat sich mit einer Leuchtpistole umgebracht«, las er vor. »Ein Jahr nachdem Babette von der Brücke gesprungen war. Ein scheußlicher Tod.« Wenn diese Waffen aus

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