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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Zusätzlich war die Mauer von der Küche zum Esszimmer durchbrochen worden. Die Einrichtung bestand vorwiegend aus Designermöbeln und dem einen oder anderen Stück, das aus Studentenzeiten übrig geblieben war.
    Johan öffnete die Glastür und ließ sich vor dem Kabinett nieder. Die Süßweine befanden sich in den beiden unteren Reihen. Er nahm eine Flasche heraus. Davon waren noch mehrere da, die Lücke würde nicht sonderlich auffallen. »Dolce« war auf dem Etikett zu lesen. Die beiden fuhren gern nach Italien, das ging aus dem Weinsortiment, den Reiseführern im Bücherregal und den Fotos im Gang hervor. Thierry vor dem Petersdom. Thierry vor der Kathedrale von Siena. Thierry irgendwo am Strand. Mattes war im Urlaub fürs Fotografieren zuständig.
    Fotos verrieten am meisten über die Menschen, in deren Wohnungen sich Johan gelegentlich Zugang verschaffte. Er hatte einen verheirateten Orthopäden auf seiner Liste, Theo, der die Bilder seiner Geliebten in einem ausgedienten Erste-Hilfe-Koffer aufbewahrte. Jasmina war bei ihm als Sprechstundenhilfe angestellt. Sie trafen sich an jedem Donnerstag in einem Appartement in der Nähe von Jasminas Wohnung. Theo bezahlte die Miete. Er hatte es nicht weit.
    Johan stellte die Weinflasche an die Schwelle der Wohnungstür, damit er nicht vergaß, sie mitzunehmen. In einem Korb auf der Kommode im Gang bemerkte er einen geöffneten Umschlag. Als Absender war ein Reisebüro angegeben. Johan stieß auf eine Buchungsbestätigung für ein Hotel und zwei Flugtickets. Mattes und Thierry hatten vor, in zwei Wochen nach London zu fahren.
    Ein schrecklicher Gedanke beschlich ihn. Bei Valerie war es bereits unsicher, ob sie am Dreiundzwanzigsten in der Bahn sitzen würde. Jetzt wollten sich auch noch Mattes und Thierry aus der Affäre ziehen. Das durfte nicht sein. In dem 18-Uhr-33-Wagen fuhren ohnehin schon etliche Leute, die an Martas Tod nicht beteiligt gewesen waren. Momentan stand es ungefähr sieben zu zwanzig. Sieben Mittäter, zwanzig Kollateralschäden. Wenn immer mehr Schuldige der Pendlerbahn fernblieben, würde das Missverhältnis weiter zunehmen. Das Zeitfenster der Gerechtigkeit schloss sich, langsam, aber sicher.
    Dann atmete er auf. Aus den Flugtickets und der Hotelreservierung ging hervor, dass die beiden nur eine knappe Woche weg sein würden. Eine Dienstreise, mutmaßte er, oder ein paar Tage zum Shoppen. Sie würden rechtzeitig zurückkehren. In der Webagentur würde bestimmt bis zum letzten Tag vor Weihnachten gearbeitet werden, egal, wie gut oder schlecht die Geschäfte liefen.
    Er legte den Umschlag genau so zurück, wie er ihn vorgefunden hatte. Johan war dankbar für diesen Wink. Selbst wenn er das Datum noch nicht festgelegt hätte: Sein Unterfangen duldete keinen Aufschub.
    Als Nächstes begab er sich ins Schlafzimmer. Dort standen zwei Hometrainer, daneben lagen Gewichte zum Bodybuilden, Therabänder, zwei Kunststoffmatten. Vor den Geräten war ein raumhoher Spiegel angebracht. Johan zog seinen Dufflecoat aus, schwang sich auf einen Hometrainer und begann zu treten. Die Digitalanzeige sprang an. Er schaltete sie aus, schließlich wollte er keine Spuren hinterlassen. Gefahrene Kilometer, verbrannte Kalorien. Die Elektronik hielt den Trainingsplan der beiden sicher präzise fest.
    Lass uns am Rheinufer entlangfahren, dachte er und beschleunigte auf eine angemessene Geschwindigkeit. Marta hatte es geliebt, den Fluss an sich vorüberziehen zu sehen. Manchmal ließ sie den Lenker ihres Hollandrades los und breitete stumm die Arme aus. Johan fuhr dicht neben ihr, bereit, jederzeit in ihren Lenker zu fassen, wenn sie das Gleichgewicht verlor. Er sah sie auch jetzt neben sich, wie sie die Beine von den Pedalen nahm und das Rad laufen ließ. Wenn ihnen jemand entgegenkäme oder im Weg stände, ein Kind vielleicht oder ein ahnungsloser Hund, würden sie nicht darauf achten können. Sie waren es leid, Rücksicht zu nehmen. Marta akzeptierte keine Regeln und das tat er auch nicht, nicht, wenn sie zusammen waren. Sollten doch die anderen Platz machen. Sie sollten aus dem Weg gehen, beiseite treten. Er würde jeden überfahren, der ihnen zu nahe kam. Dem Erdboden gleichmachen. Mit dem schweren Bügelschloss verprügeln. Er würde so lange auf Spaziergänger, Rollerblader, Mountainbiker einschlagen, bis sie nicht mehr zu erkennen waren. All die Menschen, die er auf Martas Bändern gesehen hatte. Einigen begegnete er täglich. Er drang in ihre Behausungen ein, nahm sich von

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