Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
Vom Netzwerk:
falsch. Die Angaben der Probandin Lustig unterscheiden sich nur in einem Punkt. Aus welchen Gründen auch immer, vielleicht nur aus Versehen, hat sie in dem Vertag mit unserer Tagesklinik in der Spalte "telefonisch erreichbar unter ..." ihre tatsächliche Telefonnummer angegeben.
    Fröhlichs Respekt vor der Intimsphäre seiner Frau geht nicht so weit, dass er mir nicht über die Schulter geschaut hätte.
    "Es ist alles unsere Schuld, ist es nicht so?"
    Wenigstens, fällt mir auf, hat er aufgegeben, sich als Alleinschuldigen zu betrachten, bezieht zu recht Ingrid Fröhlich mit ein. Aber wer ist wirklich schuld? Die Natur, weil sie Ingrid Fröhlich als 'poor metabolizer' in die Welt entlassen hat? Die schlechte Situation der Bauindustrie, die schlechte Zahlungsmoral der Kunden, die Herrn Fröhlich mit seiner Elektrofirma in den Bankrott getrieben hat? Die allgemeine wirtschaftliche Lage, derentwegen Frau Fröhlich keine neue Anstellung finden konnte? Das Grundübel "Globalisierung" als Ursache aller ökonomischen Schwierigkeiten, wie Celine sicher meinen würde?
    Für seine Aktion hier ist Herrn Fröhlich jedenfalls ziemlich der Teppich unter den Füßen weggezogen. Und auch mein heroischer Kampf gegen den sechsköpfigen Drachen der kriminellen Pharmamultis war nur ein Kampf gegen Windmühlen und einen ärztlichen Kleinkriminellen.
    Mir scheint nun endgültig der Zeitpunkt gekommen zu sein, Fröhlich zum Aufgeben zu bewegen. Ich habe genug. Es kommt mir vor, als wäre ich mit ihm tagelang durch die Wüste gewandert, hätte ihn zuletzt auf meinen Schultern schleppen müssen. Viel heißer jedenfalls dürfte es in der Sahara auch nicht sein. Inzwischen geht es mir nicht mehr nur um eine Dusche und ein kühles Bier, ich will einfach raus aus dieser klaustrophobischen Situation. Ich will nach Hause, will mich auf meiner eigenen Couch herumlümmeln, selbst wenn ich da auch nur n-tv gucke. Aber wenigstens mit einer funktionierenden Klospülung und einem kühlen Bier in der Hand. Ich will weder Fröhlichs Geisel sein noch sein Kindermädchen. Und auch nicht sein Komplize. Oder sein Sohn.
    "Lassen Sie uns einpacken, Fröhlich. Lassen sie uns hier einpacken und rüber in die Charité fahren, zu ihrer Frau. Vielleicht hilft es ihr mehr, wenn Sie an ihrem Bett sitzen, als alle künstlichen Lebern dieser Welt. Das wird nicht ganz ohne Begleitung gehen, fürchte ich, aber man wird es Ihnen nicht verwehren können. Ich bin sicher, ich kann das aushandeln."
    Fröhlich ist nicht überzeugt, ich muss ein wenig nachlegen.
    "Bis jetzt ist doch niemand zu Schaden gekommen, jedenfalls nicht durch Ihre Schuld. Die Jungs, die mit dem Fensterkreuz in den Hof gefallen sind, kann man nicht Ihnen anlasten. Bisher geht es doch eigentlich nur um Hausfriedensbruch."
    "Und was ist mit Geiselnahme?"
    Herr Fröhlich mag müde und hoffnungslos sein, aber blöd ist er deshalb noch lange nicht.
    "Na ja, einen vernünftigen Strafverteidiger werden Sie schon brauchen. Aber jedes Gericht wird den Hintergrund sehen, ihren psychischen Ausnahmezustand berücksichtigen. Zum Beispiel auf fehlende Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt erkennen."
    Fröhlich scheint meine Argumente abzuwägen. "Sie meinen, die würden mich wirklich zu Ingrid lassen?"
    "Wir könnten jedenfalls mal hören, was die Polizei dazu sagt."
    Schließlich stimmt Fröhlich zu. Ich darf Verbindung mit der Polizei aufnehmen und habe wieder den Polizeipsychologen Azul am Apparat. Der wenigstens findet es vorstellbar, dass man, für einen bestimmten Zeitraum wenigstens, Fröhlich in Handschellen und unter Bewachung am Bett seiner Frau wachen lässt, kann das aber nicht alleine entscheiden. Er werde die Forderung und die weiteren Einzelheiten mit dem Einsatzleiter besprechen, verspricht er, und sich so schnell wie möglich wieder bei uns melden.
    Ich meine auch, er sollte sich beeilen, denn auf n-tv setzt sich gerade wieder einmal der Herr Innensenator in Szene, und mit seinem populistischen Geschwätz verbleiben der Polizei bald nicht mehr viele Handlungsoptionen, oder besser, Nicht-Handlungsoptionen.
    Fröhlich hat sich offenbar mit dem Ende seiner Aktion und den Konsequenzen für sich abgefunden, er ist dabei, seine Päckchen an Türen und Wänden zu demontieren. Hat es sich am Ende nur um Attrappen gehandelt, gefüllt zum Beispiel mit Reserve-Hundefutter? Bei einem ausgebildeten Pionier der Bundeswehr halte ich das weiterhin für unwahrscheinlich. Von meinem persönlichen Sprengstoffgürtel

Weitere Kostenlose Bücher