Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
das dunkle Haus, legte ein Scheit ins Feuer und sah zu, wie es aufflammte. Das Wiedersehen mit Camille hatte ihn verstört. Er war von heut auf morgen weggegangen, und nun traf er sie in dieser unmöglichen Lage an, mit diesem idiotischen Kerl in Schlips und Kragen, der sich auf seinen gewichsten Schuhen und mit seinen beiden Kötern davongestohlen hatte. Sie hatte sich dem erstbesten Blödian in die Arme geworfen, der ihr vielleicht sonstwas erzählt hatte. Und das Ergebnis war da. Großer Gott, er hatte nicht mal daran gedacht, nach dem Geschlecht oder dem Namen des Kindes zu fragen. Er hatte überhaupt nicht daran gedacht. Er hatte Spielsteine gestapelt. Er hatte ihr was von Drachen und Mah-Jongg erzählt. Und warum wollte er diese Drachen denn unbedingt finden? Ach ja, wegen der Fenster.
    Adamsberg schüttelte den Kopf. Diese Besäufnisse bekamen ihm nicht. Seit einem Jahr hatte er Camille nicht gesehen, und nun war er als versoffener Kerl bei ihr gelandet und hatte verlangt, sie solle das Mah-Jongg hervorholen, hatte verlangt, den fremden Vater zu sehen. Genau wie ein Ringelgänseboß. Den würde er auch noch erbarmungslos zum Verstopfen des Münsters benutzen, sollte er doch wie ein wehrloser Idiot oben im Glockenturm schnattern.
    Er zog die Spielanleitung aus der Tasche und blätterte sie traurig durch. Es war eine schöne alte, schon vergilbte Spielanleitung aus der Zeit dieser Esti von Großmüttern. Kreise, Bambus, Zahlen, Winde und Drachen, diesmal erinnerte er sich an alles. Er las sich langsam durch die Seiten, auf der Suche nach dieser Trumpfhand, von der die Mutter Guillaumond behauptet hatte, ihr Gatte sei unfähig, sie hinzubekommen. Er stoppte bei den Besonderen Spielbildern, die man nur sehr selten erreichte. Zum Beispiel die Grüne Hand, eine komplette Bambusreihe, verbunden mit drei grünen Drachen. Nur so, um zu spielen, sich zu zerstreuen. Er folgte mit dem Finger der Liste der Spielbilder und stoppte bei Trumpfhand: zusammengesetzt aus Drachen-Dreiern und Winden. Beispiel: drei Westwinde, drei Südwinde, drei rote Drachen, drei weiße Drachen und ein Paar Nordwinde. Höchstes Spielbild, fast unerreichbar. Der Vater Guillaumond hatte sich zu Recht nichts daraus gemacht. So wie er, Adamsberg, sich nichts aus dieser Spielanleitung machte, die er in der Hand hielt. Nicht dieses Papier hätte er gerne in Händen gehalten, sondern Camille, das war doch eine der Sachen in seinem Leben. Und die hatte er versaut. Wie er es auch auf diesem Pfad versaut hatte, wie er seine Jagd nach dem Richter versaut hatte, die in einer Sackgasse von Collery geendet war, bei den Ursprüngen des weißen mütterlichen Drachen.
    Adamsberg erstarrte. Der weiße Drache. Camille hatte ihm nichts darüber erzählt. Er angelte sich die zu Boden gefallene Spielanleitung und schlug sie eilig auf. Trümpfe: grüne Drachen, rote Drachen und weiße Drachen. Die, die Camille jungfräuliche genannt hatte. Die vier Winde: Ost, West, Süd, Nord. Adamsberg drückte seine Hand auf das mürbe Papier. Die vier Winde: Soubise, Ventou, Autan und Wind. Und Brasillier: das Feuer, und folglich ein hervorragender roter Drache. Rasch schrieb er die Namen der zwölf Opfer des Dreizacks auf die Rückseite der Spielanleitung und fügte auch noch die Mutter hinzu, machte dreizehn. Die Mutter, der weiße Drache an allem Ursprung. Die Finger um den Bleistift gekrampft, versuchte Adamsberg, jene Spielsteine des Mah-Jongg herauszufinden, die den Namen auf der Liste des Richters entsprachen, seiner Trumpfhand. Die dem Vater nie gelungen war und die nun Fulgence erbittert zusammenfügte, um ihm die höchste Ehre zu erweisen – mit einem Dreizack wie mit der Hand des Vaters, wenn er die Spielsteine vom Stapel zog. Fulgence zog seine Opfer mit seinen drei Eisenfingern. Und wieviel Spielsteine brauchte man, um die Hand zu bilden? Wieviel, großer Gott?
    Mit feuchten Händen ging er noch einmal zum Anfang der Spielanleitung zurück: vierzehn Steine mußten zusammengefügt werden. Vierzehn. Es fehlte also nur noch ein einziger Stein, um die Serie des Richters zu vollenden.
    Adamsberg las sich auf der Suche nach dem verborgenen Stein noch einmal die Namen und Vornamen der Opfer durch. Simone Matère. Mater für mütterlich, für die Mutter, also einen weißen Drachen. Jeanne Lessard, ein grüner Drache, wie Lézard, die Eidechse. Die anderen Namen sagten ihm nichts. Unmöglich, einen Sinn in ihnen zu entdecken, egal, ob Drache oder Wind. Er hatte keine Ahnung,

Weitere Kostenlose Bücher