Der vierzehnte Stein
Gefängnis durchzustehen, hat er sich das Leben genommen, was soll’s. Solche Sachen passieren kleinen Wichten eben.«
»Auf diese Weise also beabsichtigen Sie vorzugehen?«
»So einfach. Setzen Sie sich, junger Mann, Ihre Unruhe ist mir lästig.«
Adamsberg stellte sich vor den Richter und richtete die Waffe auf seine Brust.
»Sie können mir im übrigen danken«, fügte Fulgence lächelnd hinzu. »Diese kleine Formalität wird Sie von einem unerträglichen Dasein erlösen, da Ihnen die Erinnerung an Ihr Verbrechen ja doch keine Ruhe lassen wird.«
»Mein Tod rettet Sie nicht. Die Akte ist abgeschlossen.«
»Alle Schuldigen sind für ihre Verbrechen verurteilt worden. Ohne mein Geständnis wird man nichts beweisen können.«
»Der Sand im Grab klagt Sie an.«
»Genau, und dies ist der einzige Punkt. Deshalb mußte Doktor Choisel auch verschwinden. Und deshalb sitze ich hier und unterhalte mich mit Ihnen vor Ihrem Selbstmord. Es ist eine Verletzung des guten Geschmacks, junger Mann, in Gräbern herumzuwühlen. Eine schwere Verletzung.«
Fulgences Gesicht hatte seinen herablassenden, lächelnden Ausdruck verloren. Er sah Adamsberg mit der ganzen Unbarmherzigkeit des souveränen Richters an.
»Die Sie wiedergutmachen werden«, fuhr er fort. »Indem Sie ein kleines Bekenntnis unterschreiben, nur allzu natürlich vor einem Selbstmord. In welchem steht, daß Sie die Grabstätte manipuliert haben. Und meine Leiche im Wald von Richelieu vergraben haben. Getrieben von Ihrer Obsession, natürlich, und zu allem bereit, um mir den Mord auf dem Pfad anzuhängen. Verstehen Sie?«
»Ich werde nichts unterschreiben, was Ihnen hilft, Fulgence.«
»Doch, kleiner Wicht. Denn wenn Sie sich weigern, werden wir zwei weitere Blumen in diesem Bild vorfinden. Ihre Freundin Camille und ihr Kind. Die ich gleich nach Ihrem Tod umbringen werde, darauf können Sie sich verlassen. Siebter Stock, linkes Atelier.«
Fulgence reichte Adamsberg ein Blatt und einen Stift und wischte beides sorgfältig ab, bevor er es ihm übergab. Adamsberg nahm seine Waffe in die linke Hand und schrieb, was ihm der Richter diktierte. Wobei er die D und R größer schrieb.
»Nein«, sagte der Richter und riß ihm die Seite weg.
»Ihre normale Schrift, verstehen Sie? Fangen Sie noch mal an«, sagte er und reichte ihm ein neues Blatt.
Adamsberg fügte sich und legte das Blatt auf den Tisch.
»Ausgezeichnet«, sagte Fulgence. »Räumen Sie das Spiel weg.«
»Wie wollen Sie mich denn Selbstmorden?« fragte Adamsberg und sammelte die Spielsteine mit einer Hand zusammen. »Ich bin bewaffnet.«
»Aber dummerweise menschlich. Ich verlasse mich also auf Ihre Zusammenarbeit. Sie werden ganz einfach tun, was ich sage. Die Waffe an ihre Stirn führen und schießen. Sollten Sie mich umlegen, werden sich zwei meiner Männer um Ihre Freundin und Ihre Nachkommenschaft kümmern. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
Adamsberg senkte seinen Revolver unter dem Lächeln des Richters. Der sich seiner Unternehmung so sicher war, daß er in geradezu herausfordernder Art ohne Schußwaffe erschienen war. Er würde einen einwandfreien Selbstmörder und ein Bekenntnis zurücklassen, das ihm seine Freiheit wiedergab. Adamsberg betrachtete seine Magnum, diese lächerliche kleine Macht, und sah plötzlich auf. Danglard stand weniger als einen Meter hinter dem Richter und schlich mit der Geräuschlosigkeit einer Katze voran. Seine gestutzte Bommel auf dem Kopf, eine Gasbombe in der rechten und seine Beretta in der linken Hand. Adamsberg hob den Revolver an seine Stirn.
»Geben Sie mir ein bißchen Zeit«, bat er und drückte sich den Lauf gegen die Schläfe. »Zeit für ein paar Gedanken.«
Fulgence verzog verächtlich das Gesicht.
»Kleiner Wicht«, wiederholte er. »Ich zähle bis vier.«
Bei zwei hatte Danglard das Gas versprüht und seine Beretta wieder in der rechten Hand. Mit einem Schrei richtete Fulgence sich auf und blickte Danglard an. Der Capitaine, der zum erstenmal das Gesicht des Dreizacks sah, schrak für den Bruchteil einer Sekunde zurück, und Fulgences Faust traf ihn am Kinn. Danglard stieß heftig gegen die Wand und schoß, verpaßte aber den Richter, der schon an der Tür war. Adamsberg rannte ins Treppenhaus und folgte dem wütenden Spurt des Alten. Er bekam ihn für eine halbe Sekunde in seine Schußlinie und zielte auf den Rücken. Sein Stellvertreter war bei ihm, als er seine Waffe senkte.
»Hören Sie«, sagte Adamsberg. »Da fährt sein Wagen
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