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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Zigaretten an.
    »Durchaus günstig, abgesehen von zwei Punkten. Warum hat sich der Richter fünfzehn Jahre älter gemacht? Daß er nach dem Mord an der Mutter seinen Namen geändert hat, ist verständlich. Und im Maquis war das leicht zu machen. Aber sein Alter?«
    »Fulgence maß der Macht, nicht der Jugend großen Wert bei. Was konnte er nach dem Krieg erwarten, nachdem er mit fünfundzwanzig sein Juradiplom in der Tasche hatte? Doch nur den beschwerlichen Weg eines kleinen Juristen, der die Karriereleiter Sprosse für Sprosse erklimmt. Fulgence wollte etwas ganz anderes. Mit seiner Intelligenz und ein paar gefälschten Empfehlungsschreiben konnte er schnell in die höchsten Instanzen aufsteigen. Vorausgesetzt, er hatte auch das entsprechende Alter, um sich dafür zu bewerben. Eine gewisse Reife war für seinen Ehrgeiz nötig. Fünf Jahre nach seiner Flucht war er bereits Richter am Tribunal in Nantes.«
    »Verstanden. Zweiter Punkt: Noëlla Cordel hatte nichts, was sie zum vierzehnten Opfer bestimmte. Ihr Name steht in keinerlei Zusammenhang mit den Trümpfen des Spiels. So daß ich zur Zeit noch immer mit einem flüchtigen Mörder plaudere. All das beweist nicht Ihre Unschuld, Adamsberg.«
    »Es gibt noch andere Nebenopfer des Richters. Zum Beispiel Michaël Sartonna.«
    »Noch ist nichts bewiesen.«
    »Aber es ist eine Vermutung. Eine Vermutung auch, was Noëlla Cordel betrifft. Und Vermutung, was mich betrifft.«
    »Das heißt?«
    »Wenn der Richter sich tatsächlich entschlossen haben sollte, mich in Quebec in die Falle zu locken, ist sein ganzer Mechanismus gestört worden. Zuerst entkomme ich den Händen der GRC, und durch die Exhumierung kann er auch keine Zuflucht mehr bei den Toten suchen. Wenn es mir gelingt, mir Gehör zu verschaffen, verliert er alles, seinen Ruf, seine Ehre. Dieses Risiko wird er nicht eingehen. Er wird so schnell wie möglich reagieren.«
    »Indem er Sie beseitigt?«
    »Ja. Ich muß ihm das Ganze also ein bißchen erleichtern. Ich muß schön auffällig zu mir nach Hause gehen. Und dann wird er kommen. Darum wollte ich Sie bitten, für ein paar Tage.«
    »Sie sind verrückt, Adamsberg. Sie wollen die alte Mäuseund-Speck-Nummer durchziehen? Mit einem Wahnsinnigen, der vor Wut rast und dreizehn Morde am Hals hat?«
    Vielleicht eher die alte Nummer mit der Mücke, die ganz hinten im Ohr hockt, dachte Adamsberg, die alte Nummer mit dem Fisch, der im Schlamm eines Sees verborgen lauert, wobei man die eine wie den anderen mit dem Licht einer Lampe anlockt. Nachtangeln mit Laternen. Und diesmal hielt der Fisch, und nicht der Mensch, den Dreizack.
    »Es gibt keine andere Möglichkeit, wenn wir wollen, daß er auftaucht.«
    »Aufopferndes Verhalten, Adamsberg, das Sie allerdings nicht reinwaschen wird von dem Verbrechen in Hull. Falls der Richter Sie nicht umbringt.«
    »Das ist das Risiko dabei.«
    »Wenn Sie, ob tot oder lebendig, in Ihrer Wohnung gefaßt werden, wird mich die GRC der Unfähigkeit oder der Komplizenschaft beschuldigen.«
    »Dann sagen Sie, Sie hätten die Überwachung aufgehoben, um mich zu ergreifen.«
    »Was mich zwingen würde, Sie sofort auszuliefern«, sagte Brézillon und drückte seine Kippe mit seinem breiten Daumen aus.
    »In viereinhalb Wochen liefern Sie mich ohnehin aus.«
    »Ich liefere meine Männer nicht gern ans Messer.«
    »Sagen Sie sich, daß ich nicht mehr Ihr Mann bin, sondern irgendein unabhängiger Mensch auf der Flucht.«
    »Akzeptiert«, seufzte Brézillon.
    Angesaugt durch den Lampreteneffekt, dachte Adamsberg. Er stand auf und setzte sich seine Polartarnung auf. Zum erstenmal reichte Brézillon ihm beim Abschied die Hand. Wahrscheinlich, um zu bekunden, daß er nicht sicher war, ihn lebend wiederzusehen.

59
     
    In Clignancourt steckte Adamsberg seine kugelsichere Weste und die Waffe in seine Tasche und umarmte die beiden Frauen.
    »Nur ein kleiner Ausflug«, sagte er. »Ich komme wieder.«
     
    Ist nicht so sicher, dachte er, während er durch die alte kleine Straße ging. Wozu dieser ungleiche Zweikampf? Um das Spiel zu beenden oder aber, um dem Tod zuvorzukommen, denn lieber trat er Fulgences Dreizack offen gegenüber, als für den Rest seines Lebens ohne Gewißheit im Dunkel des Pfades festzusitzen, die aufgespießte Noëlla neben sich. Wie durch trübes Glas sah er die Leiche des Mädchens unter der Eisdecke treiben. Er hörte ihre klagende Stimme. Und weißt du, was er mit mir gemacht hat, mein Schumm? Arme Noëlla, hat sie hängenlassen.

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