Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
geschenkten Gaul guckt man nicht ins Maul. War ja nicht der Kerl, der mich interessierte, sondern sein Gesöff.«
    »Aber ein bißchen erinnerst du dich schon. Versuch es, erzähl es mir. Alles, woran du dich erinnerst. Wie er redete, wie er war, wie er getrunken hat. Groß, dick, klein, jung, alt?«
    Vétilleux kratzte sich am Kopf, als könnte er seine Gedanken auf diese Weise beflügeln, richtete sich auf seiner Pritsche auf und sah ihn aus seinen geröteten Augen an.
    »Mann, die geben mir hier nichts.«
    Adamsberg hatte diesen Fall vorausgesehen und sich heimlich ein Fläschchen Cognac in die Tasche gesteckt. Er warf Vétilleux einen Blick zu und deutete auf den wachhabenden Brigadier in der Zelle.
    »Ja.« Vétilleux verstand.
    Nachher, machte ihm Adamsberg klar, indem er das Wort stumm mit den Lippen formte.
    Vétilleux kapierte sofort und nickte.
    »Ich bin überzeugt, daß du ein hervorragendes Gedächtnis hast«, fuhr Adamsberg fort. »Erzähl mir was von dem Kerl.«
    »Alt«, bestätigte Vétilleux, »aber gleichzeitig auch wieder jung, wie soll ich’s dir erklären. Eben voller Energie. Aber alt.«
    »Und seine Kleidung? Erinnerst du dich daran?«
    »Der war angezogen wie eben Typen, die nachts mit zwei Litern durch die Gegend laufen. Und eine Hütte zum Schlafen suchen. Ne alte Jacke mit Schal, zwei Mützen bis über die Augen, dicke Handschuhe, na ja, eben der ganze Kram, damit man sich nicht die Eier abfriert.«
    »Brille? Rasiert?«
    »Keine Brille, die Augen unter der Mütze. Auch keinen Bart, aber auch nicht gerade frisch rasiert. Er roch nicht.«
    »Das heißt?«
    »Ich teile meine Hütte nicht mit Kerlen, die riechen, so ist das eben, ist ja jedem sein eignes Ding. Ich geh zweimal in der Woche in die Badeanstalt, ich riech nicht gern. Und ich pinkle auch nicht in die Hütten von Kindern. Nur weil man säuft, heißt das ja nicht, daß man Kinder nicht respektiert. Kinder sind nett. Die unterhalten sich mit Pennern wie mit allen anderen auch. ›Hast du ’n Papa? Hast du ’ne Mama?‹ Kinder sind nett, die kapieren alles, bis die Großen ihnen den ganzen Scheiß einhämmern. Also, ich jedenfalls pinkle nicht in ihre Hütte. Sie respektieren mich, ich respektiere sie.«
    Adamsberg wandte sich dem Wachhabenden zu.
    »Brigadier«, fragte er, »könnten Sie mir ein Glas Wasser und zwei Aspirin holen? Die Wunde«, erklärte er und zeigte auf seinen Arm.
    Der Brigadier nickte und entfernte sich. Vétilleux hatte rasch die Hand ausgestreckt und steckte das Cognacfläschchen ein. Weniger als fünfzig Sekunden später kam der Brigadier mit einem Becher zurück. Adamsberg zwang sich, die Tabletten zu schlucken.
    »Mann, das erinnert mich an was«, sagte Vétilleux und zeigte auf den Becher. »Dieser spendable Kerl, der hatte was, das nicht gerade üblich ist beim Teilen. Er hatte einen Becher wie du. Er hatte seine Flasche, und ich meine. Der trank nicht aus der Flasche, verstehst du? War so’n Aufgeblasener, machte Anstalten.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Klar. Und da hab ich mir gesagt, das ist einer, der von ganz oben gefallen ist. Weißt du, manche fallen von oben. Eine Frau, die sie sitzenläßt, und schon hängen sie an der Flasche und rutschen auf die schiefe Bahn. Oder ihre Firma geht ’n Bach runter, und peng, hängen sie an der Flasche. Ich sage dir, das ist Scheiße. Man darf doch nicht abrutschen, nur weil deine Olle oder deine Firma dich fertigmacht. Scheiße, da muß man sich doch wieder einkriegen. Ich dagegen, verstehst du, bei mir war’s nicht der Mumm, der mir gefehlt hat. Ich bin nicht von oben gefallen, weil ich nämlich immer schon unten war. Also bin ich da geblieben. Verstehst du den Unterschied?«
    »Natürlich«, sagte Adamsberg.
    »Hör mal, ich verurteile keinen. Aber das macht trotzdem einen Unterschied. Zwar hat’s mir auch nicht gerade geholfen, als Josie mich hat sitzenlassen, geb ich ja zu. Aber Achtung, ich hab schon vorher gesoffen. Deswegen hat sie sich ja auch aus dem Staub gemacht. Kann ich ihr nicht mal übelnehmen, ich verurteile keinen. Außer die großen Geldsäcke, die nicht mal ’n Groschen für mich übrig haben. Na, also denen habe ich schon öfter vor die Tür geschissen, geb ich zu. Aber niemals in die Hütte von Kindern.«
    »Bist du sicher, daß er von oben kam?«
    »Ja, Kumpel. Und der war erst vor kurzem abgestürzt. Weil, in diesem Milieu machst du nicht lange einen auf angeekelt mit deinem Becher. Sagen wir, drei, vier Monate klammerst du dich an

Weitere Kostenlose Bücher