Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
militärischen Haarschnitt und konzentrierte seine Prüfung auf das runde Gesicht des Commandant, in dem er etwas Entschlossenes und Heiteres entdeckte. Eine schwache Möglichkeit, daß er sich für die unwahrscheinliche Akte, die er mitbrachte, öffnen würde. Trabelmann drückte ihm die Hand und lachte grundlos auf, er sprach klar und laut.
    »Kriegsverletzung?« fragte er und zeigte auf seinen Arm in der Schlinge.
    »Eine etwas stürmische Festnahme«, bestätigte Adamsberg.
    »Wieviel haben Sie denn schon?«
    »Festnahmen?«
    »Narben?«
    »Vier.«
    »Ich sieben. Der Bulle, der mich narbenmäßig schlägt, muß erst noch geboren werden«, schloß Trabelmann und lachte erneut. »Haben Sie Ihre Kindheitserinnerung mitgebracht, Kommissar?«
    Adamsberg deutete lächelnd auf seine Tasche.
    »Da drin. Aber ich bin nicht sicher, ob sie Ihnen gefällt.«
    »Es kostet ja nichts, sie sich mal anzuhören«, antwortete der Commandant und öffnete seinen Wagen. »Ich habe Märchen immer sehr gemocht.«
    »Auch mörderische?«
    »Kennen Sie denn andere?« fragte Trabelmann und fuhr los. »Der Kannibale in Rotkäppchen, die Kindsmörderin in Schneewittchen, der Menschenfresser im Kleinen Däumling.«
    Er bremste vor einer roten Ampel und lachte wieder kurz auf.
    »Morde, überall Morde«, fuhr er fort. »Und Blaubart, was für ein schöner Serientäter. Was mir an Blaubart gefiel, war dieser verfluchte Blutfleck auf dem Schlüssel, der nicht mehr verschwand. Man rubbelte und rieb ihn weg, und er kam wieder, wie ein Schandmal. Ich denke oft daran, wenn ein Verbrecher mir durch die Lappen geht. Dann sage ich mir, mein Junge, du kannst so oft wegrennen, wie du willst, aber der Fleck kommt wieder, und ich werde dich finden. Wahr und wahrhaftig. Sie nicht?«
    »Die Geschichte, die ich mitgebracht habe, hat etwas von Blaubart. Drei Blutflecken, die man entfernt und die doch immer wiederkommen. Aber nur für denjenigen, der sie auch sehen will, wie im Märchen.«
    »Ich muß über Reichstett fahren und einen meiner Brigadiere abholen, wir haben ein gutes Stück Weg vor uns. Wenn Sie mit Ihrer Geschichte vielleicht schon beginnen wollen? Es war einmal ein Mann?«
    »Der allein mit zwei Hunden in einem Herrenhaus wohnte«, übernahm Adamsberg.
    »Guter Anfang, Kommissar, gefällt mir sehr«, sagte Trabelmann und brach zum viertenmal in ein Lachen aus.
     
    Als sie auf dem kleinen Parkplatz in Reichstett hielten, war der Commandant ernster geworden.
    »Bei Ihrer Sache gibt es einen Haufen einleuchtender Dinge, das stelle ich gar nicht in Abrede. Aber wenn Ihr Mann wirklich die junge Wind getötet hat – und ich sage bewußt wenn –, dann würde dies bedeuten, daß er seit einem halben Jahrhundert mit seinem Wechseldreizack umherstreift. Stellen Sie sich das mal vor. In welchem Alter hat Ihr Blaubart denn angefangen zu wüten? In der Grundschule?«
    Ein anderes Kaliber als Danglard, aber derselbe schlichte Einwand.
    »Das nun gerade nicht, nein.«
    »Na los, Kommissar: sein Geburtsdatum?«
    »Ich kenne es nicht«, wich Adamsberg aus, »ich weiß nichts über seine Familie.«
    »Immerhin haben wir es ja wohl nicht mit einem ganz jungen Kerl zu tun, was? Wenigstens mit einem Typen zwischen siebzig und achtzig Lenzen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Ich werde Ihnen wohl nicht erzählen müssen, wieviel Kraft es braucht, um einen Erwachsenen lahmzulegen und ihm tödliche Stöße mit einem Stecheisen beizubringen?«
    »Der Dreizack verringert den Kraftaufwand beim Zustoßen.«
    »Aber dann hat der Mörder sein Opfer noch mitsamt dem Fahrrad aufs Feld gezogen, über zehn Meter von der Straße weg, wobei er über einen Entwässerungsgraben steigen und eine Böschung erklimmen mußte. Sie wissen doch, was es bedeutet, einen reglosen Körper zu schleppen, nicht wahr? Elisabeth Wind wog 62 Kilo.«
    »Als ich den Mann zum letztenmal gesehen habe, war er nicht jung und strahlte noch immer eine große Stärke aus. Wirklich, Trabelmann. Mindestens einsfünfundachtzig groß, ein Eindruck von Kraft und Energie.«
    »Ein ›Eindruck‹, Kommissar«, sagte Trabelmann und öffnete die hintere Wagentür für seinen Brigadier, den er mit einem kurzen militärischen Gruß empfing. »Und wann war das?«
    »Vor zwanzig Jahren.«
    »Das ist wirklich zum Lachen, Adamsberg, immerhin ist es zum Lachen. Darf ich Sie Adamsberg nennen?«
    »Aber bitte.«
    »Wir fahren jetzt geradewegs durch nach Schiltigheim und lassen Straßburg seitlich liegen. Pech für das Münster.

Weitere Kostenlose Bücher