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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Tisch, »und ich sage bewußt wenn, müßten wir eine Untersuchung anstellen über den Kauf von vier Stecheisen, und nicht von einem einzigen.«
    »Ja, aber Sie würden nur Ihre Zeit verschwenden. Der Mann«, Adamsberg wagte nicht mehr, ihn Fulgence zu nennen, »begeht nicht den Fehler, vier Stecheisen auf einmal zu kaufen und damit wie der erste Anfänger die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aus diesem Grund wählt er auch sehr geläufige Modelle. Er erwirbt sie in mehreren Geschäften, wobei er zwischen den einzelnen Käufen einige Zeit vergehen läßt.«
    »Würde ich auch so machen.«
    Hier im Büro wurde der Commandant wieder ein entschlossener Mensch, und sein Zwang zur Heiterkeit versiegte. Vielleicht war es die sitzende Position, sagte sich Adamsberg, oder der offizielle Rahmen, der ihren Ausbruch bremste.
    »Eins der Stecheisen kann im September in Straßburg gekauft worden sein«, sagte er, »das nächste im Juli in Roubaix und so fort. In dieser Richtung weiterzumachen wäre sinnlos.«
    »Ja«, schloß Trabelmann. »Möchten Sie unseren Burschen sehen? Wenn wir ihm noch ein paar Stunden einheizen, wird er bald ein Geständnis ablegen. Wobei ich hinzufügen will, als wir ihn eingesammelt haben, hatte er mindestens so was wie anderthalb Flaschen Whisky im Blut.«
    »Daher der Gedächtnisverlust.«
    »Diese Amnesien faszinieren Sie, was? Mich überhaupt nicht, Kommissar. Weil der Typ nämlich ganz sicher zehn oder fünfzehn Jahre weniger kriegt, wenn die Verteidigung auf Gedächtnisverlust und geistige Verwirrtheit plädiert. Keine Kleinigkeit, nicht wahr? Und alle kennen den Trick. Deshalb glaube ich an deren Gedächtnisschwund genausowenig wie an Ihren Märchenprinzen, der zum Drachen wird. Aber schauen Sie ihn sich ruhig an, Kommissar, machen Sie sich selbst ein Bild.«
     
    Bernard Vétilleux, ein langer, hagerer Mann um die Fünfzig mit aufgedunsenem Gesicht, lag halb ausgestreckt auf seiner Pritsche und sah gleichgültig hin, als Adamsberg eintrat. Der oder ein anderer, was ging ihn das an. Adamsberg fragte ihn, ob er mit ihm reden könne, und der Mann willigte ein.
    »Ich kann Ihnen sowieso nichts erzählen«, sagte er mit unbeteiligter Stimme. »Hier drin ist nichts mehr, ich erinnre mich an gar nichts.«
    »Ich weiß. Aber vorher, bevor Sie auf dieser Straße waren?«
    »Ich weiß ja nicht mal, wie ich da überhaupt hingekommen bin. Ich lauf nicht gern. Drei Kilometer, das ist ja ein ziemliches Ende.«
    »Ja, aber davor«, beharrte Adamsberg. »Vor der Straße.«
    »Davor, daran erinnre ich mich gut, muß ich ja wohl. Ich hab schließlich nicht mein ganzes Leben vergessen, Kumpel. Ich hab nur diese verfluchte Straße vergessen und alles, was danach kam.«
    »Ich weiß«, wiederholte Adamsberg. »Und was haben Sie vorher gemacht?«  ’
    »Na, was schon, gepichelt hab ich.«
    »Wo?«
    »Zuerst war ich in der Kneipe.«
    »Welcher Kneipe?«
    »Im Kleinen Korken, neben dem Gemüseladen. Also kann man ja nicht gerade sagen, daß ich kein Gedächtnis hab, was.«
    »Und danach?«
    »Na, die haben mich rausgeschmissen, wie immer, ich hatte keine Piepen mehr. Ich war schon so zugesoffen, daß ich nicht mal schnorren gehen konnte. Also hab ich mir ein Eckchen zum Schlafen gesucht. Ist ja auch schon mächtig kalt jetzt. Meine Ecke, in der ich sonst immer schlafe, hatten mir ein paar Kerle weggenommen, mit drei Kötern. Ich bin weggegangen und hab mich in die Grünanlage gehauen, in dieses gelbe Plastikwürfeldings für die Kinder. Da drin ist es wärmer. Wie so ’ne Hütte, mit ’ner kleinen Tür. Und unten auf der Erde ist es wie Moos. Aber falsches Moos, klar, damit die Kinder sich nicht verletzen.«
    »Welche Grünanlage?«
    »Na, die Anlage, wo die Tischtennisplatten stehen, nicht weit von der Kneipe. Ich lauf nämlich nicht gern.«
    »Und danach? Warst du ganz allein dort?«
    »Da war noch so ein anderer Kerl, der in die gleiche Hütte wollte. Pech, hab ich mir gesagt. Aber dann hab ich meine Meinung schnell geändert, weil, der Kerl hatte nämlich zwei Liter in der Tasche. Glücksfall, hab ich mir gesagt, vor allem, weil ich ihm gleich verklickert hab, wie’s läuft. Wenn du die Hütte haben willst, gibst du mir was ab von dem Wein. Er war einverstanden. Spendabel, der Kumpel.«
    »Erinnerst du dich an diesen Kumpel? Wie war er?«
    »Na ja, nicht, daß ich kein Gedächtnis hätte, aber ich hatte schon ganz schön einen intus, muß man ja auch bedenken. Und es war stockfinstere Nacht. Und einem

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