Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
oder an etwas anderem oder an allem zusammen. Sie werden doch wohl nichts von Ihrem Kotelett übriglassen? Sie müssen aufessen. Erst nichts essen und dann nichts mehr auf den Rippen haben. Ich hole den Milchreis.«
    Clémentine stellte eine Schale mit Nachtisch vor Adamsberg hin.
    »Ich würde Sie schon aufpäppeln, wenn ich Sie mal zwei Wochen bei mir hätte«, erklärte sie. »Also, was treibt Sie noch um?«
    »Ein lebender Toter, Clémentine.«
    »Nun gut, so etwas kommt wieder in Ordnung. Das ist nicht so kompliziert wie die Liebe. Was hat er denn angestellt?«
    »Er hat achtmal getötet und vor kurzem erneut zugeschlagen. Mit einem Dreizack.«
    »Und seit wann ist er tot?«
    »Seit sechzehn Jahren.«
    »Und wo hat er vor kurzem gemordet?«
    »In der Nähe von Straßburg, letzten Samstagabend. Ein junges Mädchen.«
    »Das junge Mädchen hatte doch nichts Schlechtes getan?«
    »Sie kannte ihn nicht einmal. Er ist ein Ungeheuer, Clémentine, ein schönes und schreckliches Ungeheuer.«
    »Das will ich schon glauben. Ist ja auch keine Art, neun Tote, die einem nichts getan haben.«
    »Aber die anderen wollen es nicht glauben. Niemand.«
    »Nun ja, die anderen sind ziemlich oft Holzköpfe. Da lohnt’s nicht, ihnen etwas in den Schädel zu hämmern, wenn sie nicht wollen. Wenn Sie so was versuchen, martern Sie sich am Ende für nichts die Birne wund.«
    »Sie haben recht, Clémentine.«
    »Gut, jetzt kümmern wir uns aber nicht mehr um die anderen«, entschied Clémentine und zündete sich eine billige Zigarette an, »jetzt erzählen Sie mir von Ihrer Angelegenheit. Schieben Sie uns noch die Sessel vor den Kamin? Mit diesem Kälteeinbruch hat keiner gerechnet, was? Scheint so, als käm’s vom Nordpol.«
     
    Adamsberg brauchte über eine Stunde, um Clémentine in aller Ruhe die Ereignisse zu schildern, und er wußte nicht einmal, warum er es tat. Sie wurden nur unterbrochen, als Clémentines Freundin zurückkam, eine Frau, fast so alt wie sie, Mitte Achtzig. Aber im Gegensatz zu Clémentine war sie schmal, klein und verletzlich und hatte ein gleichmäßig verrunzeltes Gesicht.
    »Josette, das ist der Kommissar, von dem ich dir mal erzählt habe. Keine Sorge, es ist nicht der bösartige Kerl.«
    Adamsberg bemerkte ihre platinblond gefärbten Haare, das Kostüm und die Perlenohrringe, zähe Überbleibsel eines bürgerlichen Lebens, das seit langem vorbei war. Im Kontrast dazu trug sie derbe Turnschuhe an den Füßen. Josette grüßte schüchtern und entfernte sich mit kleinen Schritten ins Arbeitszimmer, das mit Computern von Clémentines »Jungen« vollgestellt war.
    »Warum sollte sie sich denn fürchten?« fragte Adamsberg.
    »Na, ein Bulle, das macht eben Eindruck«, seufzte Clémentine.
    »Verzeihung«, sagte Adamsberg.
    »Wir sprachen aber gerade über Ihre Angelegenheiten, nicht über Josettes. Es war gut, daß Sie gesagt haben, Sie hätten mit Ihrem Bruder Karten gespielt. Die einfachen Ideen sind oft die besten. Sagen Sie mal, sein Stecheisen haben Sie doch nicht etwa die ganze Zeit über in der Kute gelassen? Denn so was steigt leicht wieder nach oben.«
    Adamsberg erzählte weiter, legte dabei immer wieder Holz nach und dankte Gott weiß welcher Eingebung dafür, daß sie ihn zu Clémentine getrieben hatte.
    »Dieser Polizist ist ein Blödmann«, schloß Clémentine und schnippte ihre Kippe ins Feuer. »Weiß doch jeder Mensch, daß sich ein Märchenprinz in einen Drachen verwandeln kann. Da muß so ’n Bulle schon ganz schön vernagelt sein, wenn er das nicht kapiert.«
     
    Adamsberg streckte sich halb auf das alte Sofa hin und legte seinen verwundeten Arm auf seinem Bauch ab.
    »Noch zehn Minuten ausruhen, Clémentine, dann mache ich mich wieder auf den Weg.«
    »Ich verstehe, daß Sie das zermürbt, weil Sie mit Ihrem lebenden Toten noch lange nicht raus sind aus dem Schneider. Aber verfolgen Sie Ihre Idee weiter, mein kleiner Adamsberg. Nicht, daß sie richtig wär, aber falsch ist sie nun auch wieder nicht.«
    Während Clémentine sich umdrehte, das Feuer zu schüren, war Adamsberg schon fest eingeschlafen. Die alte Frau nahm eine der Decken, die über den Sesseln lagen, und breitete sie über den Kommissar.
    Auf dem Weg ins Bett traf sie Josette.
    »Er schläft auf dem Sofa«, erklärte sie mit einer Handbewegung. »Der Junge erzählt ganz schön spinnertes Zeug, Josette. Was mir Sorgen macht, ist, daß er gar nichts mehr auf den Rippen hat, hast du’s bemerkt?«
    »Ich weiß nicht, Clémie, ich

Weitere Kostenlose Bücher