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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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kenne ihn doch erst seit heute.«
    »Aber wenn ich’s dir doch sage. Man müßte ihn aufpäppeln.«
     
    Zusammen mit Clémentine trank der Kommissar in der Küche seinen Kaffee.
    »Tut mir leid, Clémentine, ich habe es gar nicht gemerkt.«
    »Ist doch nicht weiter schlimm. Wenn Sie gut geschlafen haben, dann weil Sie’s mal wieder nötig hatten. Die zweite Stulle wird auch noch gegessen. Und wenn Sie zu Ihrem Chef müssen, sollten Sie ordentlich aussehen. Ich werde mal Ihre Jacke und Ihre Hose aufbügeln, so verlumpt können Sie da doch nicht hingehen.«
    Adamsberg strich sich übers Kinn.
    »Nehmen Sie den Rasierapparat von meinem Kleinen, im Bad«, sagte sie und trug seine Sachen davon.

14
     
    Um zehn Uhr morgens verließ Adamsberg mit vollem Magen, rasiertem Gesicht und gebügelten Sachen Clignancourt, und vorerst hatten Clémentines außergewöhnliche Wohltaten auch seine Gedanken entkraust. Mit ihren sechsundachtzig Jahren gab die alte Frau noch immer großzügig von allem ab. Und er? Er würde ihr etwas aus Quebec mitbringen. Sicher hatten sie dort schöne warme Kleidung, die es in Paris nicht gab. Eine dicke, mit Bärenfell gefütterte karierte Jacke oder auch Stiefel aus Elchsfell. Irgend etwas ganz Besonderes, genau wie sie.
    Bevor er beim Divisionnaire vorstellig wurde, rief er sich noch einmal die beschwörenden Anweisungen von Lieutenant Noël ins Gedächtnis, denen auch Clémentine nicht widersprochen hatte. »Sich selbst belügen ist so eine Sache, aber die Bullen belügen, das ist manchmal einfach nötig. Man muß nicht alles aufs Spiel setzen, nur wegen so ’ner Frage der Ehre. Ehre geht nur einen selber was an und nicht die Polente.«
     
    Was die zu verbuchenden Erfolge anging, schätzte Divisionnaire Brézillon Adamsbergs Ergebnisse, die weit über denen der anderen Kommissare lagen. Aber für den Menschen und seine Art, sich zu geben, hegte er keine Sympathie. Gleichwohl erinnerte er sich an seine Bedrängnis in der zurückliegenden Affäre mit den Vieren auf den Wohnungstüren, die so unheilvolle Ausmaße angenommen hatte, daß der Minister ihn beinahe gefeuert hätte. Als Mann des Gesetzes und streng bedacht auf Gerechtigkeit, wußte Brézillon, was er Adamsberg schuldete. Aber diese Schlägerei mit einem Brigadier war heikel, und vor allem überraschte sie ihn seitens seines sonst so gelassenen Kommissars. Er hatte die Zeugenaussage von Favre gehört, und die vulgäre Niedertracht des Brigadiers hatte ihm ganz entschieden mißfallen. Sechs Zeugen hatte er angehört, und alle hatten Adamsberg hartnäckig verteidigt. Die Sache mit der zerschlagenen Flasche blieb dennoch ein sehr ernst zu nehmendes Detail. Adamsberg hatte nicht nur Freunde in der Polizei der Polizei, und Brézillons Stimme würde von entscheidender Bedeutung sein.
    Der Kommissar legte ihm eine nüchterne Version der Fakten dar, zerschlagenes Glas, um Favres Hochmut zu brechen, eine einfache Geste der Zurechtweisung. »Zurechtweisung«, dieses Wort, das ihm passend für seine Lüge erschien, war Adamsberg im Gehen eingefallen. Brézillon hörte ihm mit besorgter Miene zu, und Adamsberg hatte den Eindruck, daß er durchaus bereit war, ihn aus diesem Wespennest herauszuholen. Gleichwohl war die Angelegenheit noch lange nicht erledigt.
    »Ich muß Sie ernsthaft warnen, Kommissar«, sagte er, als sie sich trennten. »Die Entscheidung wird nicht vor ein bis zwei Monaten fallen. Bis dahin keine Dummheiten, keine Eskapaden, keine Verwicklungen. Machen Sie sich klein, Sie verstehen?«
    Adamsberg stimmte zu.
    »Und meinen Glückwunsch zur Akte Hernoncourt«, fügte er hinzu. »Die Verletzung wird Sie doch nicht daran hindern, den Lehrgang in Quebec zu leiten?«
    »Nein. Unser Mediziner hat mir seine Anweisungen gegeben.«
    »Wann fahren Sie los?«
    »In vier Tagen.«
    »Trifft sich ganz gut. Wenigstens wird man Sie so vergessen.«
    Auf diese zweideutige Verabschiedung hin verließ Adamsberg nachdenklich den Quai des Orfèvres. »Machen Sie sich klein, Sie verstehen?« Trabelmann hätte gelacht. Straßburger Münster, 142 Meter hoch. »Das ist doch zum Lachen, Adamsberg, immerhin ist es zum Lachen.«
     
    Um vierzehn Uhr hatten sich die sieben Mitglieder der Quebec-Mission zu einer Reihe technischer Unterweisungen und Verhaltensregeln versammelt. Adamsberg hatte Kopien mit den Dienstgraden und Rangabzeichen der kanadischen Gendarmerie Royale verteilt, die er sich selbst noch nicht eingeprägt hatte.
    »Die allgemeine Parole lautet:

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