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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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war, denn schließlich hatte Adamsberg selbst die Festnahme des Barons abgelehnt und angeordnet, diese andere Fährte zu verfolgen. Aber nichts, keine Spur von Spott in seinem Gesicht, die Glückwünsche schienen ernst gemeint.
    »Ist es schlecht gelaufen in Schiltigheim?« fragte Danglard.
    »Einerseits sehr gut. Wiederum ein ganz neues Stecheisen und eine Wundlinie von 16,7 Zentimetern Länge und 0,8 Zentimetern Höhe. Ich hatte es Ihnen gesagt, Danglard, dieselbe Querstrebe. Der Schuldige ist ein Hase ohne Bau, harmlos und versoffen, die Traumbeute für einen Falken. Vor dem Drama war ein alter Mann gekommen und hatte ihm den Gnadenstoß verpaßt. Ein Leidensgefährte sozusagen. Der aber seinen Wein vornehm aus einem Becher trank und es ablehnte, die Flasche unseres versoffenen Hasen anzurühren.«
    »Und andererseits?«
    »Eindeutig weniger gut. Trabelmann hat sich quergestellt. Er ist der Meinung, ich würde nur meinen eigenen Standpunkt bedenken, ohne den der anderen in Betracht zu ziehen. Für ihn ist Richter Fulgence ein Denkmal. Ich übrigens auch, aber in einem anderen Sinne.«
    »In welchem denn?«
    Adamsberg lächelte, bevor er antwortete.
    »Das Straßburger Münster. Er meint, daß mein Ego so groß wie das Münster ist.«
    Danglard stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Ein Juwel mittelalterlicher Baukunst«, erklärte er, »mit einem 142 Meter hohen Turm, der 1439 errichtet wurde, ein Meisterwerk von Johannes Hültz …«
    Mit einem kurzen Wink unterbrach Adamsberg den Fortgang der Gelehrtenrede.
    »Ist ja nicht gerade klein«, schloß Danglard. »Ein gotisches Bauwerk für ein Ego, ein ego-tisches sozusagen. Ist er ein Witzbold, Ihr Trabelmann?«
    »Ja, gelegentlich. Aber in dem Moment war er weit davon entfernt zu scherzen und hat mich wie einen armen Schlucker rausgeschmissen. Zu seiner Entlastung muß man sagen, daß er erfahren hatte, daß der Richter seit sechzehn Jahren tot ist. Das hat ihm nicht besonders gefallen. Solche Menschen gibt es, die stört eine derartige Vorstellung.«
    Adamsberg hob eine Hand, um die Entgegnung seines Stellvertreters abzublocken.
    »Hat sie Ihnen gut getan?« fuhr er rasch fort. »Die Massage von Retancourt?«
    Danglard spürte, wie erneut Ärger in ihm hochstieg.
    »Doch«, bestätigte Adamsberg. »Ihr Nacken ist rot, und Sie riechen nach Kampfer.«
    »Ich hatte einen steifen Hals. Soviel ich weiß, ist das ja wohl kein Verbrechen.«
    »Im Gegenteil. Es ist nichts Schlechtes daran, sich etwas Gutes anzutun, und ich bewundere Retancourts Talente. Wenn es Sie nicht stört und da ja alles unterschrieben ist, werde ich jetzt ein wenig Spazierengehen. Ich bin müde.«
    Danglard ging auf diesen für Adamsberg typischen Widerspruch nicht ein und versuchte auch nicht, das letzte Wort zu behalten. Da Adamsberg nun einmal das letzte Wort wollte, sollte er es haben und mitnehmen. Ein Wortgefecht würde ihr Problem ohnehin nicht lösen.
    Im Kapitelsaal gab Adamsberg Noël ein Zeichen.
    »Favre? Wie weit sind wir mit ihm?«
    »Wurde vom Divisionnaire verhört und bis zum Abschluß der Untersuchung beurlaubt. Ihr Kreuzverhör findet morgen um elf in Brézillons Büro statt.«
    »Ich habe das Schreiben gesehen.«
    »Kein Problem, wenn Sie nur nicht diese Flasche zerschlagen hätten. Bedenkt man Favres Charakter, so konnte er nicht wissen, ob Sie die Absicht hatten, die Scherbe gegen ihn zu benutzen oder nicht.«
    »Ich auch nicht, Noël.«
    »Wie?«
    »Ich auch nicht«, wiederholte Adamsberg ruhig. »In dem Moment wußte ich’s nicht. Ich glaube nicht, daß ich angegriffen hätte, aber ich bin mir nicht sicher. Dieser Idiot hat mich in Rage versetzt.«
    »Um Himmels willen, Kommissar, sagen Sie solche Dinge bloß nicht vor Brézillon, sonst sind Sie erledigt. Favre wird auf Notwehr plädieren, und was Sie angeht, könnte das weitreichende Folgen haben. Glaubwürdigkeitsverlust, Unzuverlässigkeit, sind Sie sich darüber im klaren?«
    »Ja, Noël«, antwortete Adamsberg, überrascht von der Fürsorglichkeit des Lieutenant, die er ihm bis dahin nicht zugetraut hätte. »Ich rege mich im Moment schnell auf. Ich habe ein Gespenst am Hals, und das ist nicht gerade praktisch zu tragen.«
    Noël war an die unverständlichen Äußerungen des Kommissars gewöhnt und überging sie.
    »Kein Wort zu Brézillon«, fuhr er beschwörend fort.
    »Nichts von Gewissenskonflikt, keine Selbstkritik. Sagen Sie, Sie hätten die Flasche zerschlagen, um Favre zu beeindrucken. Daß Sie sie natürlich auf

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