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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Kollegen, die von seinem sagenhaften Einfluß überwältigt oder darüber verärgert waren. Der rechtschaffene Justizbeamte überschritt nie die Grenzen des Gesetzes und seiner Standespflichten. Aber wenn ihn bei einem Prozeß die Lust ankam, brauchte er durch eine subtile Geste nur anzudeuten, wohin seine Überzeugung tendierte, damit das Gerücht sich verbreitete und die Geschworenen hinter ihm standen wie ein Mann. Adamsberg vermutete, daß nicht wenige Familien von Beschuldigten und sogar Justizbeamte den Richter großzügig bezahlt hatten dafür, daß das Gerücht sich eher in die eine als in die andere Richtung bewegte.
     
    Über vier Stunden telefonierte er nun schon beharrlich mit den Maklern, ohne daß er eine positive Antwort erhalten hatte – bis zu seinem zweiundvierzigsten Anruf, als ihm ein junger Mann bestätigte, er habe einen Herrensitz, umgeben von einem Park, verkauft, zwischen Hagenau und Brumath.
    »Wieviel Kilometer von Straßburg entfernt?«
    »Luftlinie dreiundzwanzig, nach Norden zu.«
    Der Käufer, Maxime Leclerc, hatte das Landgut – Das Schloß – vor fast vier Jahren erworben, es aber aus zwingenden gesundheitlichen Gründen am Morgen des vergangenen Tages zum Kauf angeboten. Er war gleich darauf ausgezogen, die Agentur hatte soeben die Schlüssel zurückerhalten.
    »Hat er sie selbst bei Ihnen abgegeben? Haben Sie ihn gesehen?«
    »Er hat sie von seiner Haushälterin abgeben lassen. In der Agentur hat ihn nie einer getroffen. Der Verkauf war durch Vermittlung seines Anwalts vorgenommen worden, durch Schriftverkehr und Hin- und Rücksenden von Ausweispapieren und Unterschriften. Damals konnte Monsieur Leclerc wegen der Folgen einer Operation nicht reisen.«
    »Sieh einer an«, bemerkte Adamsberg nur.
    »Das ist rechtens, Kommissar. Sobald die Papiere durch die Polizei beglaubigt worden waren.«
    »Hätten Sie vielleicht Namen und Adresse dieser Haushälterin?«
    »Madame Coutellier aus Brumath. Ihre Angaben kann ich beschaffen.«
     
    Denise Coutellier schrie ins Telefon, um das Geschrei einer Horde zankender Kinder zu übertönen.
    »Madame Coutellier, könnten Sie mir Ihren Arbeitgeber beschreiben?« fragte Adamsberg in einem Reflex ebenfalls mit lauter Stimme.
    »Nun ja, Kommissar«, schrie die Frau, »ich habe ihn eigentlich nie gesehen. Ich war drei Stunden am Montagvormittag da und drei Stunden am Donnerstag, zur gleichen Zeit wie der Gärtner. Ich habe die Mahlzeiten fertiggemacht und die Vorräte für die nächsten Tage hingebracht. Er hatte mir schon im voraus gesagt, daß er nicht da wäre, er war ein sehr beschäftigter Mann. Er hatte mit dem Handelsgericht zu tun.«
    Natürlich, dachte Adamsberg. Ein unsichtbares Gespenst.
    »Gab’s Bücher im Haus?«
    »Viele, Kommissar. Was für welche, könnte ich Ihnen aber nicht sagen.«
    »Zeitungen?«
    »Er war Abonnent. Von einer Tageszeitung und den Elsässer Neuesten Nachrichten.«
    »Post?«
    »Dafür war ich nicht zuständig, und sein Sekretär war immer abgeschlossen. Mit dem Gericht ist das ja verständlich. Seine Abreise kam wirklich überraschend. Er hat mir ein paar sehr nette Zeilen hinterlassen, mir gedankt und alles erdenklich Gute gewünscht, mit allen Anweisungen und einer sehr guten Abfindung.«
    »Was für Anweisungen?«
    »Nun, an diesem Samstag sollte ich zu einem gründlichen Hausputz ohne Stundenabrechnung noch einmal wiederkommen, weil doch das Schloß verkauft würde. Danach sollte ich die Schlüssel bei der Agentur abgeben. Ich war erst vor einer knappen Stunde dort.«
    »Waren diese Zeilen mit der Hand geschrieben?«
    »Aber nein. Die Nachrichten, die Monsieur Leclerc für mich daließ, waren immer mit der Maschine geschrieben. Das kam von seinem Beruf, nehme ich an.«
    Adamsberg wollte schon auflegen, als die Frau noch einmal anfing.
    »Es ist nicht einfach, ihn zu beschreiben. Ich habe ihn ja nur einmal gesehen, verstehen Sie, und nicht lange. Und noch dazu ist es schon vier Jahre her.«
    »Beim Einzug? Haben Sie ihn da gesehen?«
    »Selbstverständlich. Man kann doch schließlich nicht bei Unbekannten arbeiten.«
    »Madame Coutellier«, sagte Adamsberg lebhaft, »versuchen Sie, so genau wie möglich zu sein.«
    »Hat er denn etwas verbrochen?«
    »Im Gegenteil.«
    »Das hätte mich auch gewundert. Ein anständiger Mann, und sehr gewissenhaft. Traurig, daß seine Gesundheit so angeschlagen war. In meiner Erinnerung war er nicht älter als Mitte Sechzig. Was sein Äußeres angeht, war er

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