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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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keine Patzer«, begann Adamsberg. »Gehen Sie die Rangabzeichen gründlich durch. Sie werden es mit Gefreiten zu tun haben, mit Sergents, Inspektoren und Surintendants. Verwechseln Sie die Bezeichnungen nicht. Der Verantwortliche, der uns in Empfang nehmen wird, ist der leitende Surintendant Aurèle Laliberté 1 , in einem Wort geschrieben.«
    Es gab ein paar Lacher.
    »Genau das sollten wir vermeiden: Lacher. Ihre Vor- und Nachnamen sind nicht wie unsere. In der GRC werden Sie auf Ladouceurs 2 , Lafrances 3 und sogar auf Louisseizes 4 treffen. Keine Lacher. Sie werden Ginettes oder auch Philiberts kennenlernen, die jünger sind als Sie. Auch dann keine Lacher, genausowenig wie über ihren Akzent, über manche ihrer Ausdrücke oder ihre Art zu reden. Wenn ein Quebecois schnell spricht, ist es nicht ganz einfach, ihm zu folgen.«
    »Zum Beispiel?« fragte der akkurate Justin.
    1 (franz.) Die Freiheit – 2 Die Sanftheit, Süße – 3 Frankreich – 4 Ludwig der Sechzehnte.
    Adamsberg wandte sich fragend an Danglard.
    »Zum Beispiel«, antwortete Danglard: »Willsta etwa d’ ganz’ Nacht drüber wegläppern?«
    »Und das soll heißen?« fragte Voisenet.
    »›Wir werden uns doch nicht die gesamte Nacht darüber die Köpfe heiß reden.‹«
    »Genau so«, sagte Adamsberg. »Versuchen Sie zu verstehen, und vermeiden Sie dümmliche Ironie, sonst fällt die gesamte Mission ins Wasser.«
    »Die Quebecois«, unterbrach ihn Danglard mit matter Stimme, »halten Frankreich für das Mutterland, schätzen aber die Franzosen nicht sehr und mißtrauen ihnen. Sie finden sie verächtlich, eingebildet und spöttisch, was auch stimmt, da sie Quebec für eine niedere Provinz von Bauerntölpeln und Holzfällern halten.«
    »Ich verlasse mich darauf«, fuhr Adamsberg fort, »daß Sie sich nicht wie Touristen aufführen, schon gar nicht wie Pariser Touristen, die laut reden und an allem etwas auszusetzen haben.«
    »Wo sind wir untergebracht?« fragte Noël.
    »In einem Gebäude in Hull, sechs Kilometer von der GRC entfernt. Einzelzimmer mit Blick auf den Fluß und die Ringelgänse. Dienstwagen werden uns zur Verfügung gestellt. Denn dort läuft man nicht, man fährt.«
    Die Einweisung dauerte noch fast eine Stunde, dann zerstreute sich die Gruppe in einem zufriedenen Gemurmel, mit Ausnahme von Danglard, der wie ein Verurteilter aus dem Raum schlich, blaß vor Angst. Sollten auf dem Hinflug wie durch ein Wunder keine Stare ins linke Triebwerk geraten, würden es eben auf dem Rückflug die Ringelgänse im rechten Triebwerk sein. Und eine Ringelgans bedeutete zehnmal soviel wie ein Star. Dort, in Kanada, ist alles größer.

15
     
    Den Großteil seines Samstags verbrachte Adamsberg damit, bei Immobilienmaklern anzurufen, von denen er sich eine lange Liste für die Straßburger Gegend zusammengestellt hatte, mit Ausnahme der Stadt selbst. Die Aufgabe war langwierig, und jedesmal stellte er dieselbe Frage mit denselben Worten. Ob nicht ein einzelner älterer Mann zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt ein Landgut, genauer: ein großes, abgeschiedenes Anwesen gemietet oder gekauft habe? Ob dieser Käufer seinen Mietvertrag vor kurzem gekündigt oder sein Gut zum Verkauf angeboten habe?
    Bevor seine Hetzjagd vor sechzehn Jahren ein Ende nahm, waren Adamsbergs Anschuldigungen für den Dreizack beunruhigend genug gewesen, um ihn zu zwingen, jedesmal die Gegend zu wechseln, sobald der Mord begangen war, weshalb er ihm immer entwischte. Adamsberg fragte sich, ob der Richter auch noch als Toter diesen Reflex der Vorsicht bewahrt hatte. Bei den verschiedenen Aufenthaltsorten, von denen Adamsberg wußte, hatte es sich stets um luxuriöse und herrschaftliche Einzelhäuser gehandelt. Der Richter hatte ein beträchtliches Vermögen angesammelt, und die Anwesen waren immer seine eigenen gewesen und nicht gemietet, Fulgence verzichtete lieber auf den Blick eines Eigentümers.
    Es war für ihn nicht schwer zu erraten, wie der Mann ein derartiges Kapital hatte anhäufen können. Fulgences bemerkenswerte Fähigkeiten, die Schärfe seiner Analysen, seine gefährliche Gewandtheit und seine außergewöhnliche Erinnerung an die Prozesse des Jahrhunderts, dazu seine beachtliche charismatische Schönheit hatten ihm eine unerschütterliche Popularität eingebracht. Er besaß den Ruf eines »Mannes, der weiß«, wie ein heiliger Ludwig, der, unter seiner Eiche sitzend, zwischen Gut und Böse schied. Und dies sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei seinen

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