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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Ungeheuer von Loch nun mal kein Feuer aus seinen Nüstern spie und somit unfähig war, das Juwel gotischer Baukunst zu sprengen.
    »Verzeihung, Voisenet, ich war in Gedanken. Es handelt sich um den Pinksee, nicht sehr weit von hier. Rosa und blau, ganz herrlich an der Oberfläche. Also Vorsicht vor dem äußeren Schein. Und wenn Sie diesen Fisch zu Gesicht bekommen, dann kriegen Sie ihn mir mal richtig bei den Nüssen.«
    »Eh«, protestierte Voisenet. »Ich tue Fischen nicht weh, ich mag sie.«
    »Also, ich für meinen Teil mag diesen hier gar nicht. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den See auf der Karte.«
     
    Adamsberg bemühte sich, jegliches Risiko eines Zusammentreffens mit Noëlla an diesem Abend zu vermeiden, er parkte in einer abgelegenen Straße, trat durch die Hintertür der Kellerräume in den Wohnblock und mied den Tragestellen-Pfad. Er lief quer durch den Wald und über die Baustelle, begegnete dem Wächter, der gerade seinen Posten bezog.
    »Hey, Mensch!« sagte der Wächter und winkte ihm zu.
    »Führst du wieder mal deine Kluft aus?«
    »Ja, nichts für ungut«, erwiderte Adamsberg mit einem Lächeln, ohne sich aufhalten zu lassen.
    Er schaltete seine Lampe erst an, als er in Sicherheit war, nach zwei Dritteln der Strecke, weit hinter dem Stein, den Noëlla nie überschritt, und erreichte den Pfad.
    Wo sie ihn zwanzig Meter weiter, an einer Buche lehnend, erwartete.
    »Komm«, sagte sie und nahm seine Hand. »Ich muß dir etwas sagen.«
    »Ich muß zu einem Arbeitsessen, Noëlla, ich kann nicht.«
    »Ich brauche nicht lange.«
    Adamsberg ließ sich bis zu dem Fahrradverleih ziehen und setzte sich vorsichtigerweise zwei Meter neben das junge Mädchen hin.
    »Du liebst mich«, erklärte Noëlla gleich zu Beginn. »Ich habe es schon beim erstenmal gesehen, als du auf dem Pfad erschienen bist.«
    »Noëlla …«
    »Ich wußte es«, unterbrach ihn Noëlla. »Daß du es warst und daß du mich liebtest. Er hatte es mir gesagt. Deshalb bin ich jeden Tag zu diesem Stein gekommen, und nicht wegen des Windes.«
    »Was heißt denn ›er‹?«
    »Der alte Indianer Shawi. Er hatte es mir gesagt. Daß mir Noëllas andere Hälfte auf dem Stein am Fluß der Ottawa-Ahnen erscheinen würde.«
    »Der alte Indianer«, wiederholte Adamsberg. »Wo das, der alte Indianer?«
    »In Sainte-Agathe-des-Monts. Er ist ein Algonkin und stammt von den Ottawas ab. Er weiß es. Ich habe gewartet, und es warst du.«
    »Großer Gott, Noëlla, du glaubst doch so was nicht etwa?«
    »Du«, Noëlla zeigte mit ihrem Finger auf Adamsberg, »du liebst mich, wie ich dich liebe. Und solange der Fluß fließen wird, wird uns nichts mehr trennen.«
    Verrückt, total verrückt. Laliberté hatte recht gehabt. Das war mächtig dubios, dieses Mädchen ganz allein im Morgengrauen auf dem Tragestellen-Pfad.
    »Noëlla«, sagte er, indem er aufstand und in der Hütte umherging. »Noëlla, du bist ein reizendes Mädchen, bildschön, ich mag dich sehr, aber ich liebe dich nicht, verzeih mir. Ich bin verheiratet, ich liebe meine Frau.«
    »Du lügst, und du hast keine Frau. Der alte Shawi hat’s mir gesagt. Du liebst mich.«
    »Nein, Noëlla. Wir kennen uns seit sechs Tagen. Du warst traurig wegen deines Schumms, ich war allein, das ist alles. Hier endet die Geschichte, es tut mir leid.«
    »Sie endet nicht, sie beginnt für immer. Hier«, fügte das Mädchen hinzu und zeigte auf ihren Bauch.
    »Hier was?«
    »Hier«, wiederholte Noëlla ruhig. »Unser Kind.«
    »Du lügst« sagte Adamsberg tonlos. »So früh kannst du das gar nicht wissen.«
    »Doch. Die Tests geben einem die Antwort nach drei Tagen. Und Shawi hatte mir angekündigt, daß ich ein Kind von dir gebären würde.«
    »Das ist falsch.«
    »Es ist wahr. Und du wirst Noëlla, die dich liebt und dein Kind in sich trägt, nicht verlassen.«
    Adamsbergs Blick richtete sich instinktiv auf das Schiebefenster. Rasch schob er es hoch und sprang auf die Straße.
    »Bis Dienstag«, schrie Noëlla ihm hinterher.
     
    Adamsberg gelangte wieder auf den Radweg und rannte bis zu seinem Wohnblock. Heftig atmend, kletterte er in seinen Wagen und startete in Richtung Wälder, bog auf die Landstraßen ab, fuhr viel zu schnell. Vor einem einsam gelegenen Stand verlangsamte er und kaufte sich ein Bier und ein Stück Pizza. Auf einem Baumstumpf am Rande des Waldes sitzend, verschlang er es wie ein Bär. Perfekt in die Falle gegangen, ohne jeden Zufluchtsort, an dem er sich in Sicherheit bringen konnte vor dieser

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