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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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oder ich ruf die Cochs.«
    Adamsberg brach in Lachen aus. Die Cochs. Was für ein Jux.
    »Nur zu, aber wehe, du holst die Cochs, dann wirst du aufgespießt.«
    »Criss«, regte sich der Barkeeper auf, »ich werd hier nicht stundenlang mit dir schwabbeln. Ich hab schon einiges schneien sehen, Mensch, und du fängst langsam an, mir wirklich auf die Nerven zu fallen.«
    Der Mann, ein Kerl von der Statur eines kanadischen Holzfällers aus einem Bilderbuch, kam um seinen Tresen herumgelaufen, faßte Adamsberg unter den Achseln, zog ihn zur Tür und stellte ihn auf dem Bürgersteig ab.
    »Nimm bloß nicht deinen Karren«, sagte er und hielt ihm seine Jacke hin. Er trieb seine Fürsorglichkeit sogar so weit, daß er ihm auch noch die Mütze über den Kopf stülpte.
    »Heute nacht wird’s kalt«, erklärte er. »Sie haben zwölf Grad unter Null angesagt.«
    »Wie spät ist es? Ich kann meine Uhren nicht mehr sehen.«
    »Viertel nach zehn, Zeit für dich, ins Bett zu gehen. Sei brav und geh auf deinen Haxen nach Hause. Keine Sorge, wirst schon ’ne andere Puppe finden.«
    Die Tür des Cafés schlug hinter Adamsberg zu, der Mühe hatte, seine Jacke, die auf den Bürgersteig gefallen war, aufzuheben und richtigherum anzuziehen. Puppe! Was hatte er denn damit zu schaffen, sich eine Puppe zu suchen.
    »Ich hab ja sogar eine zuviel!« schrie er, allein auf der Straße, an den Barkeeper gerichtet.
    Seine wankenden Schritte führten ihn automatisch dorthin, wo der Tragestellen-Pfad begann. Er war sich vage bewußt, daß Noëlla dort auf ihn warten könnte, in der Finsternis lauernd wie der graue Wolf. Er hatte seine Taschenlampe gefunden, schaltete sie ein und leuchtete mit schlingernden Bewegungen die Umgebung ab.
    »Mir scheißegal!« brüllte er, allein auf dem Pfad.
    Ein Kerl, der Bären, Cochs und Fische niedermachen konnte, würde sich ja wohl auch eine Puppe vom Halse schaffen können, oder?
    Entschlossen schlug Adamsberg den Pfad ein. Trotz seines trunkenen Schlingerns führte ihn das Wegegedächtnis, das in seinen Fußsohlen saß, tapfer voran, selbst wenn er von Zeit zu Zeit an einen Stamm stieß, weil er ein wenig von der Richtung abgekommen war. Er glaubte jetzt ungefähr auf der Hälfte der Strecke zu sein. Bist tüchtig, mein Junge, hast wirklich Schneid.
    Allerdings nicht genug, um dem tiefhängenden Ast auszuweichen, der einen Durchgang versperrte und unter dem er gewöhnlich hindurchschlüpfte. Er bekam das Holz voll an die Stirn und spürte, wie er zu Boden fiel, zuerst mit den Knien, dann dem Gesicht, ohne daß seine Hände noch irgend etwas hätten tun können, um den Sturz abzufangen.

27
     
    Ein Brechreiz riß Adamsberg aus seiner Betäubung. Seine Stirn pochte so heftig, daß er Mühe hatte, die Lider zu öffnen. Als er endlich seinen Blick auf etwas richten konnte, sah er nichts. Nur Schwarz.
    Das Schwarz des Himmels, begriff er schließlich zähneklappernd. Er war nicht mehr auf dem Pfad. Er lag abseits des Weges, auf Teer, und die Kälte war eisig. Er rappelte sich auf einem Arm hoch, hob den Kopf. Unfähig, mehr zu tun, blieb er auf dem schwankenden Boden sitzen. Was hatte er denn bloß angestellt, großer Gott? Er erkannte das Tosen des Ottawa River, ganz nah. Immerhin war das ein Anhaltspunkt. Er befand sich am Ende des Pfades, fünfzig Meter von seinem Wohnblock entfernt. Er mußte nach dem Zusammenprall mit dem Ast wohl ohnmächtig geworden, dann aufgestanden, noch einmal hingefallen und weitergelaufen sein, war vermutlich wieder gefallen und schließlich zusammengebrochen, als er den Ausgang endlich erreicht hatte. Er drückte seine Hände auf den Boden und richtete sich an einem Baumstamm auf, um seinen Schwindel zu überwinden. Fünfzig Meter, nur fünfzig Meter noch, und er wäre in seinem Appartement. Taumelnd ging er in der schneidenden Kälte ein Stück voran, blieb alle fünfzehn Schritte stehen, um sein Gleichgewicht wiederzufinden, und lief weiter. Die Muskeln in seinen Beinen schienen butterweich.
    Das Bild der erleuchteten Eingangshalle lenkte ihn bei den letzten Schritten. Er drückte und rüttelte an der Glastür herum. Der Schlüssel, großer Gott, der verfluchte Schlüssel. Während er sich, das Gesicht schweißverfroren, mit dem Ellbogen an einem der Türflügel abstützte, riß er ihn aus seiner Hosentasche und schloß unter den bestürzten Blicken des Nachtwächters auf.
    »Sakrament, alles in Ordnung, Herr Kommissar?«
    »Nicht wirklich«, brachte Adamsberg hervor.
    »Brauchsta

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