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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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    Poröser Kamm? schrieb Adamsberg auf.
    Transfert der DNA in ein Trennungsgel mittels eines elektrischen Feldes.
    Trennungsgel?
    »Und Achtung!« stieß Portelance hervor. »Jetzt beginnt ein Wettlauf der Moleküle, bei dem die DNA-Fragmente das Gel passieren, um die Ziellinie zu erreichen.«
    »Sieh einer an.«
    »Das heißt einen Detektor, der erkennt, wie die Fragmente im Gel plaziert sind, eins nach dem anderen, der Länge nach geordnet.«
    »Verblüffend«, sagte Adamsberg, während er eine dicke Ameisenkönigin zeichnete, die von Hunderten geflügelter Männchen verfolgt wurde.
    »Was zeichnest du da?« Portelance unterbrach sich verärgert.
    »Den Wettlauf der Fragmente durch das Gel. So kann ich meine Gedanken besser behalten.«
    »Und hier ist das Ergebnis«, rief Portelance und tippte auf den Bildschirm. »Das Profil des DNA-Musters in achtundzwanzig Banden, die der Sequenzer aufgelistet hat. Schön, findsta nich?«
    »Sehr.«
    »Diese Kombination«, fuhr Mitch fort, »hier ist’s der Urin von Jules Saint-Croix, wennsta dich erinnerst, stellt sein genetisches Profil dar, einmalig auf der ganzen Welt.«
    Adamsberg betrachtete die Umwandlung von Jules’ Urin in achtundzwanzig Banden. Das also war Jules, das war der Mensch.
    »Wenn es dein Urin wäre«, sagte Portelance und wurde ein wenig lockerer, »würde man selbstverständlich etwas völlig anderes sehen.«
    »Aber doch auch achtundzwanzig Banden? Und nicht etwa hundertzweiundvierzig?«
    »Warum hundertzweiundvierzig?«
    »Nur so. Wollt ich bloß wissen.«
    »Achtundzwanzig, hab ich dir gesagt. Kurzum, wenn du jemanden tötest, würdsta nicht gerade plussen, wenn du auf die Leiche pinkeln würdest.«
    Mitch Portelance lachte für sich allein.
    »Keine Sorge, ich entspanne mich bloß«, erklärte er.
    In der Nachmittagspause sah Adamsberg Voisenet, wie er einen Normalen trank und mit Ladouceur diskutierte. Er gab ihm ein Zeichen, und Voisenet kam zu ihm in eine Ecke.
    »Haben Sie das alles begriffen, Voisenet? Das Gel, dieser wahnsinnige Wettlauf, die achtundzwanzig Banden?«
    »Einigermaßen.«
    »Ich nicht. Seien Sie so nett und senden Sie Mordent den heutigen Tagesbericht, ich bin dazu nicht in der Lage.«
    »Geht Portelance zu schnell vor?« fragte der Lieutenant besorgt.
    »Und ich gehe zu langsam vor. Sagen Sie mal, Voisenet«, fügte Adamsberg hinzu, indem er sein Notizheft herausholte, »sagt Ihnen dieser Fisch etwas?«
    Interessiert beugte sich Voisenet über die Skizze, die Adamsberg von dem Tier, das in der Tiefe des Pinksees herumstromerte, angefertigt hatte.
    »Noch nie gesehen«, sagte Voisenet, neugierig geworden. »Sind Sie sicher, daß die Zeichnung genau ist?«
    »Es fehlt keine einzige Flosse.«
    »Noch nie gesehen«, wiederholte der Lieutenant kopfschüttelnd. »Und mit der Ichthyofauna kenne ich mich ja immerhin ein bißchen aus.«
    »Womit?«
    »Mit den Fischen.«
    »Dann sagen Sie auch ›Fische‹, ich bitte Sie. Ich habe schon Mühe genug, unsere Kollegen zu verstehen, machen Sie mir diese Aufgabe nicht noch schwerer.«
    »Woher kommt das?«
    »Aus einem verdammten See, Lieutenant. Vielmehr aus zwei übereinanderliegenden Seen. Ein lebender See über einem toten See.«
    »Wie bitte?«
    »Zwanzig Meter tief und unten drei Meter dicker, zehntausend Jahre alter Schlamm. In der Tiefe bewegt sich nichts mehr. Und dort treibt dieser uralte Fisch, der noch aus der Zeit des Meeres stammt. Eine Art lebendes Fossil, das da gar nichts zu suchen hat, wenn Sie so wollen. Man fragt sich sogar, warum er überhaupt überlebt hat und wie. Auf jeden Fall hat er überdauert, und er schlägt sich in diesem See herum wie der Teufel im Weihwasser.«
    »Scheiße«, stieß Voisenet begeistert aus und konnte seine Augen nicht von der Zeichnung wenden. »Sind Sie sicher, daß es sich nicht um eine Fabelgestalt, eine Legende handelt?«
    »Die Informationstafel war vollkommen seriös. Woran denken Sie? An das Ungeheuer von Loch Ness?«
    »Nessie ist kein Fisch, sondern ein Reptil. Wo liegt er, Kommissar? Dieser See?«
    Adamsberg blickte vage und antwortete nicht.
    »Wo liegt er?« wiederholte Voisenet.
    Adamsberg richtete die Augen wieder auf seinen Kollegen. Er fragte sich gerade, was wohl geschehen würde, wenn Nessie sich in voller Größe ins Portal des Straßburger Münsters gezwängt hätte. Davon hätte man sicher gehört. Obgleich es eine zwar ungewöhnliche Meldung unter der Rubrik Vermischtes gewesen wäre, aber dennoch kein Knaller, da das

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