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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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rumrutschst?«
    Adamsberg blieb stumm. Sanscartier blickte seinen Surintendant an, wobei jegliche Sanftheit aus seinen Augen gewichen war. Ginette hielt den Blick noch immer auf den Boden gerichtet.
    »An eine Obsession«, erklärte Laliberté.
    »In deinem ganz persönlichen Buch, Aurèle. Aber nicht in meinem.«
    Laliberté änderte Angriffsposition und -winkel.
    »Ich rede mit dir jetzt von Coch zu Coch. Findstas nicht ein bißchen merkwürdig, daß dein Wandermörder in dem Moment tötet, wo sich auch sein Verfolger hier aufhält? Das heißt also du, der besessene Coch, der ihm seit dreißig Jahren nachstellt? Findsta diesen Zufall nicht oberfaul?«
    »Äußerst oberfaul. Es sei denn, es ist keiner. Ich hab dir erzählt, daß Fulgence seit Schiltigheim weiß, daß ich ihm wieder auf den Fersen bin.«
    »Criss! Und er würde eigens hierher kommen, um dich zu provozieren? Wenn er auch nur geringstmäßig Verstand hat, würde er doch warten, bis du wieder zurück bist, glaubst du nicht? Ein Kerl, der alle vier bis sechs Jahre tötet, kann doch wohl mal vierzehn Tage an sich halten, oder?«
    »Ich stecke nicht in ihm drin.«
    »Das frage ich mich gerade.«
    »Rede deutlich, Aurèle.«
    »Ich persönlich glaube, daß du in Farbe träumst. Und deinen Esti von Dreizack inzwischen überall siehst.«
    »Ich öde dich an, Aurèle. Ich sage dir, was ich weiß und was ich glaube. Wenn du’s nicht hören willst, ist es mir auch egal. Führ du deine Ermittlungen durch, und ich meine.«
    »Bis morgen um neun«, sagte der Surintendant wieder lächelnd und gab ihm die Hand. »Wir haben noch eine ganz schöne Jochserei vor uns. Wir werden diese Akten gemeinsam ansehen.«
    »Nicht gemeinsam«, sagte Adamsberg und stand auf.
    »Du hast den ganzen Tag, um sie durchzusehen, und ich kenne sie auswendig. Ich werde meinen Bruder besuchen. Wir sehen uns Dienstagmorgen wieder.«
    Laliberté runzelte die Stirn.
    »Bin ich nun frei? Ja oder nein?« fragte Adamsberg.
    »Reg dich nicht auf.«
    »Dann fahre ich also zu meinem Bruder.«
    »Wo wohnt er denn, dein Bruder?«
    »In Detroit. Kannst du mir einen Dienstwagen überlassen?«
    »Kann ich.«
     
    Adamsberg machte sich auf den Weg zu Retancourt, die wie ein Klotz im Büro des Surintendant sitzen geblieben war.
    »Ich weiß, du hast deine Vorschriften«, sagte Laliberté lachend. »Nimm’s nicht persönlich, aber ich sehe nicht recht, wozu sie dir dienlich sein könnte, dein Lieutenant. Sie hat nicht gerade die Löcher im Knopf erfunden. Criss, so etwas möchte ich nicht in meiner Riege haben.«

34
     
    Als Adamsberg in seinem Zimmer war, überlegte er, Danglard anzurufen, um ihm einzuschärfen, er solle die Stücke herausnehmen, die sich auf die Ermittlung zu seinem Bruder bezogen. Doch nichts garantierte ihm, daß das Telefon nicht abgehört wurde. Wenn Laliberté erführe, daß Fulgence tot war, würden die Dinge erst richtig spannend werden. Aber am Ende? Der Surintendant wußte nichts von seiner Beziehung zu Noëlla, und wäre dieser anonyme Brief nicht gewesen, hätte er sich gar nicht mit ihm befaßt. Dienstag würden sie in aller Meinungsverschiedenheit auseinandergehen, genau wie mit Trabelmann, leben Sie wohl, und jedem seine Ermittlung.
    Er packte rasch seine Tasche. Er hatte vor, über Nacht zu fahren, unterwegs zwei Stunden zu schlafen und bei Tagesanbruch in Detroit anzukommen, um seinen Bruder nicht etwa noch zu verpassen. Er hatte Raphaël derart lange nicht gesehen, daß er keinerlei Gemütsbewegung verspürte, so unwirklich erschien ihm sein Vorhaben. Er wechselte sein T-Shirt, als Retancourt in sein Zimmer trat.
    »Scheiße, Retancourt, Sie könnten wenigstens anklopfen.«
    »Verzeihung, ich hatte befürchtet, Sie seien schon weg. Um wieviel Uhr fahren wir?«
    »Ich fahre allein. Privatreise diesmal.«
    »Ich habe Befehle«, der Lieutenant ließ sich nicht beirren. »Ich begleite. Überallhin.«
    »Sie sind sympathisch und hilfsbereit, Retancourt, aber es handelt sich um meinen Bruder, und ich habe ihn seit dreißig Jahren nicht gesehen. Lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Tut mir leid, aber ich komme mit. Ich werde Sie schon allein lassen mit ihm, machen Sie sich keine Sorgen.«
    »Lassen Sie mich, Lieutenant.«
    »Wenn Sie darauf bestehen, aber ich habe die Wagenschlüssel. Zu Fuß kommen Sie nicht weit.«
    Adamsberg tat einen Schritt auf sie zu.
    »Wie kräftig Sie auch sein mögen, Kommissar, Sie werden mir diese Schlüssel nie abnehmen können. Ich schlage vor, wir

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