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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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verzichten auf diese Kindereien. Wir fahren gemeinsam und wechseln uns beim Fahren ab.«
    Adamsberg gab sich geschlagen. Ein Kampf mit Retancourt würde ihn mindestens eine Stunde kosten.
    »Na schön«, sagte er resigniert. »Da ich Sie nun einmal auf dem Hals habe, packen Sie Ihre Sachen. Sie haben drei Minuten.«
    »Sind schon gepackt. Wir sehen uns am Wagen.«
    Adamsberg zog sich vollständig an und traf seinen Lieutenant auf dem Parkplatz. Blonde Leibgarde, die ihre Energie in besonders hartnäckigen Personenschutz umgewandelt hatte.
     
    »Ich setze mich ans Steuer«, erklärte Retancourt. »Sie haben den ganzen Nachmittag mit dem Surintendant gekämpft, während ich auf meinem Stuhl vor mich hin döste. Ich bin vollkommen ausgeruht.«
    Sie schob ihren Sitz nach hinten, um es sich bequem zu machen, und fuhr in Richtung Detroit los. Adamsberg erinnerte sie eindringlich an die 90 km/h-Vorschrift, und sie drosselte die Geschwindigkeit. Alles in allem war Adamsberg gar nicht so unglücklich, sich entspannen zu können. Er streckte seine Beine von sich und legte die Hände auf seine Schenkel.
    »Sie haben ihnen nicht gesagt, daß er tot ist«, sagte Retancourt nach einigen Kilometern.
    »Sie werden es morgen noch früh genug erfahren. Sie haben sich umsonst beunruhigt, Laliberté hat nichts gegen mich in der Hand. Allein dieser anonyme Brief macht ihm zu schaffen. Dienstag schließe ich die ganze Sache mit ihm ab, und Mittwoch fliegen wir.«
    »Wenn Sie Dienstag die Sache abschließen, fliegen wir Mittwoch nicht.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil, wenn Sie am Dienstag hingehen, man nicht mehr nett mit Ihnen diskutieren wird. Man wird Sie beschuldigen.«
    »Dramatisieren Sie gern, Retancourt?«
    »Ich beobachte. Vor dem Hotel war ein Wagen geparkt. Sie folgen uns seit Gatineau. Sie folgen Ihnen. Philibert Lafrance und Rhéal Ladouceur.«
    »Eine Überwachung ist keine Beschuldigung. Sie wollen wohl mit aller Macht übertreiben.«
    »Auf dem anonymen Brief, den Laliberté Ihnen zunächst nicht zeigen wollte, waren zwei schmale schwarze Streifen, fünf Zentimeter unter dem oberen und einen Zentimeter über dem unteren Rand.«
    »Eine Fotokopie?«
    »So ist es. Man geht mit einem Maskenband über den Briefkopf und die Fußzeile. Eine rasch zusammengestümperte Montage. Das Papier, der Buchstabentyp und das Seitenlayout ähnelten denen der Lehrgangsformulare. Ich hatte mich doch in Paris um die Akte gekümmert, erinnern Sie sich? Und dann diese Formulierung: Hat sich persönlich damit befaßt. Klingt ein bißchen quebecmäßig. Die GRC selbst hat diesen Brief verfaßt.«
    »Und zu welchem Zweck?«
    »Man mußte einen annehmbaren Grund erfinden, um Ihre Vorgesetzten zu bewegen, Sie hierherzuschicken. Wenn Laliberté seine wirklichen Absichten verraten hätte, hätte Brézillon Ihrer Auslieferung niemals zugestimmt.«
    »Auslieferung? Wie kommen Sie darauf, Lieutenant? Laliberté will wissen, was ich in der Nacht des 26. angestellt habe, das verstehe ich. Das will ich auch. Er fragt sich, was ich wohl mit Noëlla gemacht haben könnte, auch das verstehe ich. Auch ich frage mich einiges. Aber, Herrgott, Retancourt, ich bin doch nicht verdächtig.«
    »Heute nachmittag sind Sie alle in den Nachrichtenraum hinübergegangen und haben die dicke Retancourt auf ihrem Stuhl vergessen. Erinnern Sie sich?«
    »Tut mir leid, aber Sie hätten mitkommen können.«
    »Nicht doch. Ich war ja schon unsichtbar, und keiner von ihnen war sich bewußt, daß sie mich dort allein zurückließen. Allein und in unmittelbarer Nähe der grünen Akte. Ich hatte Zeit, das Ding zu versuchen.«
    »Das Ding?«
    »Ich habe eine Fotokopie davon gemacht. Das Wichtigste ist in meiner Tasche.«
    Adamsberg starrte seinen Lieutenant in der Dunkelheit an. Der Wagen fuhr weit über der erlaubten Geschwindigkeit.
    »Machen Sie das auch in der Brigade? Akten auf irgendeine plötzliche Eingebung hin zu durchwühlen?«
    »In der Brigade habe ich keinen Schutzauftrag.«
    »Fahren Sie langsamer. Es ist wirklich nicht der passende Augenblick, daß die Inspektoren uns mit der Zeitbombe, die Sie in Ihrer Tasche tragen, schnappen.«
    »Stimmt«, gab Retancourt zu und hob den Fuß. »Diese verfluchte Automatik, die verleitet mich dazu.«
    »Offenbar verleitet Sie nicht nur die. Stellen Sie sich überhaupt das Durcheinander vor, wenn einer der Cochs Sie an dem Kopiergerät überrascht hätte?«
    »Und stellen Sie sich das Durcheinander vor, wenn ich die Akte nicht in

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