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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Augenschein genommen hätte? Es war Sonntag und die GRC leer. Ich hörte von weitem das Geräusch Ihrer Gespräche. Beim geringsten Stühleschurren hätte ich genug Zeit gehabt, alles wieder an seinen Platz zu räumen. Ich weiß, was ich tue.«
    »Das frage ich mich allerdings.«
    »Sie haben Ermittlungen über Sie angestellt. Viele. Sie wissen, daß Sie mit dem Mädchen geschlafen haben.«
    »Von ihren Vermietern?«
    »Nein. Aber Noëlla hatte einen Schwangerschaftstest in ihrer Tasche, so eine Urinpipette.«
    »War sie’s? Schwanger?«
    »Nein. Es gibt keine Tests, die nach drei Tagen schon das Ergebnis anzeigen, aber das wissen Männer nicht.«
    »Wenn das so ist, warum hatte sie dann diesen Test bei sich? Für ihren ehemaligen Schumm?«
    »Damit Sie wegrennen. Greifen Sie sich mal den Bericht aus meiner Tasche. Der blaue Ordner, auf Seite zehn, glaube ich.«
    Adamsberg öffnete Retancourts Handtasche, die mit Pinzetten, Seil, Haken, Schminke, Spannerschrauben, Messer, Taschenlampe, Plastiktüten und verschiedenen anderen Dingen eher an eine Überlebenstasche erinnerte. Er schaltete das Innenlicht an und ging auf Seite zehn, Harnanalyse von Cordel, Noëlla, Beweisstück RRT 3067. »Spuren von Spermarückständen«, überflog er. »Vergleich mit der Probe STG 6712, Entnahme Bettzeug Appartement Adamsberg, Jean-Baptiste. DNA-Vergleich positiv. Eindeutige Identifizierung des Sexualpartners.«
    Unter diesen Zeilen waren zwei Schemata abgebildet, die die DNA-Muster in achtundzwanzig Banden darstellten, wobei die eine Probe aus der Pipette stammte und die andere von seinem Laken. Unbestreitbar identisch. Adamsberg räumte den Ordner wieder weg und machte das Innenlicht aus. Es hätte ihn nicht übermäßig eingeschüchtert, mit seinem Lieutenant über Samen zu plaudern, doch war er ihr dankbar, daß sie ihn von dieser Notiz stillschweigend hatte Kenntnis nehmen lassen.
    »Warum hat Laliberté seine Schnauze gehalten?« fragte er leise.
    »Er röstet Sie auf kleiner Flamme. Er hat Spaß daran, Kommissar. Er schaut zu, wie Sie langsam zugrunde gehen, und das gefällt ihm. Je mehr Sie ihn anlügen, um so höher wird sein Stapel mit Falschaussagen.«
    »Trotzdem«, seufze Adamsberg. »Selbst wenn er weiß, daß ich mit Noëlla geschlafen habe, hat er keinen Grund, eine Verbindung zu dem Mord herzustellen. Es ist ein Zufall.«
    »Sie mögen keine Zufälle.«
    »Nein.«
    »Nun, er auch nicht. Das Mädchen wurde auf dem Tragestellen-Pfad gefunden.«
    Adamsberg erstarrte.
    »Das ist unmöglich, Retancourt«, stieß er hervor.
    »Doch, in einem kleinen Tümpel an seinem Rand«, sagte sie behutsam. »Wollen wir etwas essen?«
    »Bin nicht sehr hungrig«, sagte Adamsberg leise.
    »Nun, ich jedenfalls esse etwas. Sonst halte ich nicht durch, und Sie auch nicht.«
    Retancourt hielt auf einem Rastplatz und holte zwei Sandwichs und zwei Äpfel aus ihrer Tasche. Adamsberg kaute langsam, mit abwesendem Blick.
    »Trotzdem«, wiederholte er. »Was beweist das schon? Noëlla trieb sich dauernd auf diesem Pfad herum. Von morgens bis abends. Sie selbst hat gesagt, es sei gefährlich dort. Ich war nicht der einzige, der ihn benutzte.«
    »Abends schon. Außer den Homosexuellen, die aber mit Noëlla Cordel nichts anfangen konnten. Die Cops wissen vieles. Zum Beispiel, daß Sie drei Stunden auf diesem Weg umhergeirrt sind, zwischen halb elf und halb zwei Uhr früh.«
    »Ich habe nichts gesehen, Retancourt. Ich war stockbetrunken, das habe ich Ihnen erzählt. Ich muß hin und her gelaufen sein. Nachdem ich gestürzt bin, hatte ich meine Lampe nicht mehr bei mir. Das heißt Ihre Lampe.«
    Retancourt zog eine Flasche Wein aus ihrer Tasche.
    »Ich weiß nicht, was er taugt«, sagte sie. »Trinken Sie einen kleinen Schluck.«
    »Ich will nicht mehr trinken.«
    »Nur ein paar Züge. Bitte.«
    Adamsberg, ziemlich ratlos, gehorchte. Retancourt nahm die Flasche wieder an sich und verkorkte sie sorgfältig.
    »Sie haben den Kellner aus der Schleuse befragt«, fuhr sie fort. »Zu dem Sie gesagt haben sollen: ›Wehe, du holst die Cochs, dann wirst du aufgespießt.‹«
    »Ich sprach von meiner Großmutter. Eine tapfere Frau.«
    »Tapfer oder nicht, diese Äußerung gefällt ihnen überhaupt nicht.«
    »Ist das alles, Retancourt?«
    »Nein. Sie wissen auch, daß Sie keinerlei Erinnerung an diese Nacht haben.«
    Im Wagen entstand ein langes Schweigen. Adamsberg hatte sich zurückgelehnt, die Augen zur Decke gerichtet, wie ein völlig benommener Mensch, wie

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