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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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schwanger, verbunden mit einer Erpressung.«
    »Mies«, erklärte Retancourt und nahm sich ein zweites Brötchen.
    »Sie war nämlich entschlossen, in unser Flugzeug zu steigen, mir nach Paris zu folgen, bei mir einzuziehen und mein Leben zu teilen, egal, was ich dazu sagen würde. Ein alter Ottawa-Indianer in Sainte-Agathe hatte ihr geweissagt, daß ich für sie bestimmt sei. Sie hatte sich total in diesen Gedanken verbissen.«
    »Ich war noch nie in so einer Lage, kann es mir aber vorstellen. Was haben Sie gemacht?«
    »Ich habe ihr widersprochen, habe mich geweigert, sie zurückgewiesen. Zu guter Letzt bin ich geflüchtet. Ich bin aus dem Fenster gesprungen und wie ein Wiesel gerannt.«
    Retancourt stimmte mit einer Geste und vollem Mund zu.
    »Und danach habe ich sie nie wieder gesehen«, betonte Adamsberg. »Ich habe mir alle Mühe gegeben, sie bis zur Abreise zu meiden.«
    »Deshalb waren Sie auf dem Flughafen auch so in Habachtstellung?«
    »Sie hatte mir versichert, daß sie dasein würde. Jetzt weiß ich, warum sie nicht gekommen ist.«
    »Tot seit zwei Tagen.«
    »Wenn Laliberté von dieser Verbindung wüßte, hätte er seine Munition verschossen und es mir gleich zu Beginn gesagt. Noëlla hat ihren Freunden demnach nichts gesagt, jedenfalls nicht meinen Namen. Der Surintendant ist nicht sicher. Er ballert auf gut Glück im Wasser herum.«
    »Weil er noch über einen anderen Faktor verfügt, mit dem er Ihnen die Hölle heiß machen kann: vermutlich Akt Nummer drei. Die Nacht des 26.«
    Adamsberg starrte Retancourt an. Die Nacht des 26. Da er zunächst nur erleichtert gewesen war, daß der Mord nicht am Freitagabend begangen worden war, hatte er daran nicht gedacht.
    »Wissen Sie etwa Bescheid? Über diese Nacht?«
    »Ich weiß von nichts außer Ihrem Bluterguß. Aber daraus, daß Laliberté diese Karte bis zum Schluß im Ärmel behalten hat, schließe ich, daß sie von Bedeutung ist.«
     
    Die Stunde rückte näher, da die beiden Inspektoren der GRC sie abholen kommen würden. Adamsberg erzählte seinem Lieutenant in wenigen Worten von seinem Besäufnis am Sonntagabend und von den zweieinhalb Stunden, über die er nichts mehr wußte.
    »Scheiße«, wiederholte Retancourt. »Allerdings verstehe ich nicht, wie er eine Verbindung zwischen einem unbekannten jungen Mädchen und einem betrunkenen Mann auf einem Pfad herstellen kann. Er verfügt noch über andere Trümpfe, die er nicht unbedingt ausspielen wird. Laliberté geht wie ein Jäger vor, und er scheint die Jagd zu genießen. Er kann die Prüfung durchaus hinausziehen.«
    »Achtung, Retancourt. Er weiß nichts von meinem Gedächtnisverlust. Nur Danglard ist darüber informiert.«
    »Aber er hat seitdem sicher Erkundigungen eingezogen. Ihr Aufbruch von der Schleuse um zweiundzwanzig Uhr fünfzehn, Ihre Ankunft im Wohnblock um zehn Minuten vor zwei. Das ist ziemlich lange für einen Mann, der mit klarem Verstand läuft.«
    »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Vergessen Sie nicht, daß ich den Mörder kenne.«
    »Stimmt«, gab Retancourt zu. »Das wird die Frage klären.«
    »Bis auf eine Kleinigkeit. Eine Lappalie, was den Mörder betrifft, die allerdings schlecht ankommen wird.«
    »Sind Sie sich nicht ganz sicher?«
    »Doch. Aber er ist seit sechzehn Jahren tot.«

33
     
    Diesmal übernahmen Fernand Sanscartier und Ginette Saint-Preux die Umrahmung des Surintendant. Adamsberg stellte sich vor, sie hätten sich freiwillig an diesem Sonntag gemeldet, um ihm vielleicht ihre Unterstützung zukommen zu lassen. Doch seine beiden ehemaligen Verbündeten legten ein unnatürliches und befangenes Verhalten an den Tag. Nur das Eichhörnchen vom Dienst, noch immer in Begleitung seiner Kameradin, begrüßte ihn liebenswürdig, indem es die Schnauze krauste. Ein guter kleiner Schumm, und treu.
    »Heute bist du dran, Adamsberg«, begann Laliberté freundlich. »Leg mir die Fakten dar, deine Erkenntnisse, deine Verdachtsmomente. Okay?«
    Liebenswürdig, offen. Laliberté benutzte alte Techniken. Hier war es der Wechsel zwischen Phasen der Feindseligkeit und der Entspannung. Den Angeklagten verunsichern, ihn wieder beruhigen, ihn erneut alarmieren, ihn verwirren. Adamsberg straffte sich im Geiste. Der Surintendant würde ihn nicht wie einen verängstigten Dummkopf aus der Bahn werfen können, schon gar nicht mit Retancourt im Rücken. Merkwürdig, er hatte das Gefühl, sich an sie anzulehnen.
    »Tag der Güte?« fragte Adamsberg lächelnd.
    »Tag der Anhörung. Was

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