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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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im Schockzustand.
    »Darüber habe ich nur mit Danglard gesprochen«, sagte er tonlos.
    »Nun, sie wissen es trotzdem.«
    »Ich bin die ganze Zeit über zu diesem Pfad gegangen«, fuhr er mit derselben tonlosen Stimme fort. »Sie haben weder ein Motiv noch einen Beweis.«
    »Sie haben ein Motiv: der Schwangerschaftstest, die Erpressung.«
    »Das ist unvorstellbar, Retancourt. Eine Machenschaft, eine Machenschaft des Teufels.«
    »Des Richters?«
    »Warum nicht?«
    »Er ist tot, Kommissar.«
    »Das ist mir egal. Und sie haben keine Beweise.«
    »Doch. Das Mädchen trug einen Ledergürtel, der ihr am selben Tag geschenkt worden war.«
    »Das hat er mir erzählt. Und?«
    »Er war offen. Er lag im Laub herum, neben dem See.«
    »Ja und?«
    »Es tut mir leid, Kommissar: Ihre Fingerabdrücke waren darauf. Sie haben sie mit denen im Appartement verglichen.«
    Adamsberg rührte sich nicht mehr. Betäubt von den brandenden Wogen, die da eine nach der anderen über ihm zusammenschlugen, versank er in tiefe Bestürzung.
    »Ich habe diesen Gürtel nie gesehen. Ich habe ihn nie aufgemacht. Und ich habe auch das Mädchen seit Freitagabend nicht mehr gesehen.«
    »Ich weiß«, murmelte Retancourt wie ein Echo. »Aber als Schuldigen können Sie ihnen nur einen toten alten Mann anbieten. Und als Alibi Gedächtnisverlust. Die werden sagen, daß Sie besessen waren von dem Richter, daß Ihr Bruder getötet hat, daß Sie nicht mehr bei Sinnen waren. Daß Sie, in dieselben Umstände versetzt, betrunken und im Wald und einem schwangeren Mädchen gegenüber, Raphaëls Tat noch einmal ausgeführt haben.«
    »Die Falle ist zugeschnappt«, sagte Adamsberg und schloß die Augen.
    »Verzeihen Sie die Brutalität, aber Sie mußten das erfahren. Sie werden Sie am Dienstag beschuldigen. Der Haftbefehl liegt bereits vor.«
    Retancourt warf ihren Apfelgriebs aus dem Fenster und fuhr los. Sie bot Adamsberg nicht das Steuer an, und er bat sie auch nicht darum.
    »Ich habe es nicht getan, Retancourt.«
    »Es wird nichts nützen, wenn Sie Laliberté das immer wieder sagen. Es interessiert ihn nicht die Bohne, daß Sie leugnen.«
    Adamsberg richtete sich plötzlich auf.
    »Aber, Lieutenant, Noëlla wurde mit dem Dreizack getötet. Wo hätte ich denn ein solches Werkzeug finden sollen? Auf meinem Pfad, geradewegs aufgetaucht aus dem Nichts?«
    Er brach ab und ließ sich zurückfallen.
    »Sagen Sie schon, Kommissar.«
    »Großer Gott, die Baustelle.«
    »Wo?«
    »Auf halber Strecke gab’s eine Baustelle mit einem Pickup und Werkzeugen entlang den Stämmen. Sie rissen dort die abgestorbenen Baumstümpfe heraus und pflanzten junge Ahornbäume. Ich kannte diese Baustelle. Ich kann dort gut und gern vorbeigegangen sein, habe Noëlla gesehen, habe die Waffe gesehen und sie schließlich benutzt. Ja, das könnten sie behaupten. Weil auch Erde in den Wunden war. Weil dieser Dreizack sich von dem des Richters unterschied.«
    »Das könnten sie behaupten«, bestätigte Retancourt ernst. »Was Sie denen über den Richter erzählt haben, wird nichts ausrichten, im Gegenteil. Irre Geschichte, unwahrscheinlich, zwanghaft. Sie werden sie benutzen, um Sie zu belasten. Bisher hatten sie das unmittelbare Motiv, Sie haben ihnen nun das eigentliche Motiv geliefert.«
    »Der von einer Idee besessene Mann, betrunken, ohne Erinnerungsvermögen und von diesem Mädchen in die Enge getrieben. Ich im Körper meines Bruders. Ich im Körper des Richters. Aus dem Gleichgewicht geraten, verrückt. Es ist alles verloren, Retancourt. Fulgence hat sich meine Haut geschnappt. Er ist reingeschlüpft.«
    Retancourt fuhr eine Viertelstunde ohne ein Wort. Adamsbergs Zusammenbruch, so schien ihr, erforderte die Atempause eines langen Schweigens. Ganzer Tage vielleicht, in denen man bis nach Grönland gelangen konnte, doch soviel Zeit hatte sie nicht.
    »Woran denken Sie?« begann sie nach einer Weile wieder.
    »An meine Mutter.«
    »Ich verstehe. Aber ich glaube nicht, daß jetzt der richtige Zeitpunkt dazu ist.«
    »Man denkt an seine Mutter, wenn nichts mehr zu machen ist. Und es ist nichts mehr zu machen.«
    »Aber sicher. Man kann fliehen.«
    »Ich bin erledigt, wenn ich fliehe. Eingeständnis der Schuld.«
    »Sie sind erledigt, wenn Sie sich am Dienstag in der GRC zurückmelden. Sie werden hier bis zur Verurteilung versauern, und wir werden keine Möglichkeit haben, eine Gegenermittlung zu Ihrer Verteidigung durchzuführen. Sie werden in einem kanadischen Knast sitzen, und eines Tages wird

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