Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Patalong
Vom Netzwerk:
der bereits erwähnte Dampfwagen-Betreiber Gurney sein, der zur Zielscheibe des Widerstands wurde. Schon 1829 wurde er zum Opfer eines Überfalls: Die spektakuläre Fernfahrt von London nach Bath (160 Kilometer) konnte nur unter Polizeischutz beendet werden. Der Heizer war vom Mob verletzt worden.
    Die Presse berichtete damals:
    Hr. Gurney fuhr auf der Straße von Bath mit seinem Dampfwagen. Zu Melksham wurde er von einem durch Miethkutschen-Besizer angestifteten und bezahlten Volkshaufen angehalten, und sein Wagen ward beinahe zertrümmert. Man sollte nicht glauben, daß es möglich wäre, daß das arme Volk nicht einsieht, wie sein theueres Brot wohlfeiler werden muß wenn man weniger Pferde braucht, für welche Hafer gebaut wird, und die ihm auf diese Weise die Roken-und Weizen-Felder wegnehmen.
    Dass Pferde dem Volk das Futter wegessen, war leider nicht vermittelbar. Drei Jahre später gab Gurney auf, zermürbt von Überfällen und Protesten, mysteriösen Dampfwagen-Kidnapping inklusive Explosionen, Schotter auf Straßen, die vorher glatt waren und willkürlichen Mauterhöhungen für Dampfwagen – ein erster Erfolg der traditionellen Transportlobby auf parlamentarischer Ebene:
    Die Hauptursache (für Gurneys Scheitern, Red.) liegt in den vielen Privat-Schlagbaum-Bills, die vor das lezte Parlament gebracht wurden, und von denen mehrere die Dampfwagen beinahe gänzlich ausschlossen, indem sie den Zoll für dieselben bei jedem Schlagbaume auf die ungeheure Summe von 2 Pfd. Sterl. steigerten.
    Weitere Gesetze sollten folgen, die den Siegeszug der Dampfwagen, der sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts abzeichnete, doch noch verhinderten. Denn neben den weithin beachteten Großfahrzeugen entstanden an vielen Orten Dampfwagen-Manufakturen, die eher auf Individualverkehr zielten. Viele Adelige und Reiche leisteten sich ein Dampffahrzeug als neue Form standesgemäß-abenteuerlicher Fortbewegung. Wer unter Dampf stand, bewies Progressivität. Kurz nach Mitte des Jahrhunderts hatte der Verkehr (und die Zahl der Unfälle) so sehr zugenommen, dass der britische Gesetzgeber begann, den motorisierten Straßenverkehr zu regulieren, und zwar rigoros. Die Transportlobby sorgte dafür, dass die Regeln für Motorfahrzeuge besonders streng ausfielen.
    Zwischen 1861 und 1898 verabschiedete das britische Parlament fünf Gesetze, die erstmals Verkehrsregeln bindend vorschrieben – für Automobile und dampfbetriebene Schwerlastfahrzeuge. Insbesondere der Red Flag Act von 1865 bremste die automobile Entwicklung im bis dahin souverän führenden Hightech-Mutterland England höchst effektiv aus: Er setzte für alle »Straßenlokomotiven« und Automobile eine Höchstgeschwindigkeit von 4 Meilen pro Stunde (6 km/h) fest. Ein Witz, aber beileibe nicht der einzige: Neben dem Fahrer musste es nun zwingend auch einen Beifahrer geben, und zudem einen dritten Mann, der eine rote Fahne schwenkend, 55 Meter vor dem Fahrzeug gehend den Verkehr vor dem nahenden pferdelosen Wagen warnen sollte.
    Mit einem Schlag verloren maschinengetriebene Fahrzeuge in Großbritannien jede Chance auf Wirtschaftlichkeit. Erst 1896, als sich in den Metropolen Amerikas und Kontinentaleuropas längst Benzin-und Elektrofahrzeuge breitgemacht hatten, nahm das britische Parlament diese folgenschwere Fehlentscheidung zurück. Den Anschluss an die technische Entwicklung hatte England bis dahin verloren – Hightech kam jetzt vorzugsweise aus Deutschland und den USA.

Die Hochzeit der Dampfer
    Auch dort waren es lange die Dampfwagen gewesen, denen die automobile Zukunft zu gehören schien. Auch in Deutschland, dem heutigen Österreich und Belgien hatte es seit den 30er Jahren entsprechende Experimente gegeben. Außerhalb Englands aber blieb die Skepsis lange groß und die Verbreitung klein.
    Noch 1863 nutzten die Stadtväter von Hamburg eine örtliche Industrie-und Maschinenausstellung, um sieben dort ausgestellte Dampfwagen-Modelle auf ihre Tauglichkeit im städtischen Straßenverkehr zu prüfen. Um ein realistisches Szenario bemüht, wagte man sogar, die Vehikel auf große Fahrt zu schicken, ohne die Straße vorher zu evakuieren.
    Das zahlreich aufgelaufene Publikum war begeistert! Alle Fahrzeuge meisterten den Parcours, der es in Luftlinie immerhin auf mehr als einen Kilometer brachte, mit Bravour. Zwar war Trevithick schon 1801 so weit gewesen, doch in Deutschland war ein dermaßen massives Autoaufkommen noch immer etwas Exotisches. Um so überraschter waren selbst die

Weitere Kostenlose Bücher