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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Patalong
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gut wie stillgelegt.
    Im neutralen Spanien, wo keine militärische Zensur herrschte, berichteten die Zeitungen hingegen offen darüber, dass zeitweilig ein Drittel der Bevölkerung erkrankt war. Nur weil dort die erschreckende Sterbequote der Krankheit erstmals nicht verschleiert wurde, bekam diese den Namen Spanische Grippe, der sich aber erst später durchsetzte. Zunächst waren etliche Bezeichnungen im Umlauf – und zahlreiche Verschwörungstheorien über ihren Ursprung. Biologische Kriegsführung war eine der häufigsten Theorien, eine Krankheit zu erklären, wie man sie noch nicht gesehen hatte: Nicht Alte, Kinder und Schwache raffte sie wie sonst üblich dahin, sondern vor allem Menschen zwischen 20 und 40 Jahren.
    Ein Albtraum, der sich sogar nach Asien und Ozeanien verbreitete und dort teils schlimmer wütete als in der westlichen Welt. Allein in Indien sollen Schätzungen zufolge bis zu 17 Millionen Menschen an der Grippe gestorben sein. Besonders hart traf es indigene Völker. Samoa verlor ein Fünftel seiner Bevölkerung, bei einem Inuit-Volk starben bis zu 70 Prozent der Erwachsenen.
    Raumgreifende Epidemien hatte die Menschheit schon einige erlebt, aber nicht in dieser Größenordnung: Die Spanische Grippe entwickelte sich, von Soldaten extrem schnell und grenzübergreifend verbreitet, zur globalen Krankheit, die zeitweilig 500 Millionen Menschen erfasst haben soll.
    Die zweite Krankheitswelle im Herbst 1918 dokumentierte das auf ihre Art, indem sie zeitgleich in den USA, in Westafrika und Frankreich auftrat. Dass der Weltkrieg Ende 1918 endete, kam zu spät. Möglicherweise beschleunigte das die Verbreitung sogar zusätzlich: Mit Ende des Krieges zogen Hunderttausende kreuz und quer über den europäischen Kontinent – Flüchtlinge, Heimkehrer, Gefangene. Armeekontingente aus Übersee fuhren nach Hause – und trugen die neue Welle bis nach Australien und Neuseeland, das so stark betroffen war, dass das öffentliche Leben zeitweilig zum Erliegen kam.
    Die Seuche hatte sich jedoch auch aus anderen Gründen in einer noch nie gesehenen Geschwindigkeit verbreitet. Die Mobilisierung der Welt in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schuf Probleme, mit denen man nicht gerechnet hatte. Transkontinentale Flugverbindungen lagen zwar noch einige Jahre in der Zukunft, aber schon die modernen Schiffsturbinen hatten die Fernreisen merklich verkürzt. Zu Land waren die Kontinente nach über 120 Jahren Eisenbahn mit einem flächendeckenden Netz überzogen.
    Man kam schnell von A nach B, durchquerte ganze Kontinente in wenigen Tagen – und zu viele Reisende entpuppten sich als Träger des fatalen Virus. Nachdem die Pandemie etwas über zwei Jahre gewütet hatte, waren Millionen Menschen weltweit gestorben. Die Schätzungen über die Opferzahlen gehen weit auseinander: Heute geht man von bis zu 50 Millionen Opfern aus, konservative Schätzungen setzen bei der Hälfte an – selbst das entspräche noch der Zahl der Opfer der berüchtigten Schwarzen Pest, die im 14. Jahrhundert ein Drittel der europäischen Bevölkerung dahingerafft hatte.
    Zum Vergleich: Der vier lange Jahre tobende, mit ungekannter Grausamkeit geführte Weltkrieg hatte rund 17 Millionen Menschen das Leben gekostet. Und selbst in diesen grausamen Statistiken verbergen sich noch Grippe-Opfer, die von der Krankheit im Schützengraben erwischt wurden. Statistisch erfasst haben das allein die Amerikaner und Neuseeländer. Sie verloren mehr Soldaten durch die Grippe als durch Kampfhandlungen.
    Die tödlichste Phase der in drei zeitlich voneinander getrennten Wellen auftretenden Krankheit erwischte die Welt ausgerechnet im Herbst 1918. Rund 70 Prozent der Bevölkerung, schätzten preußische Behörden, erkrankten an ihr. Die Todesrate lag bei drei von 100 und damit bis zu 30 mal höher als bei Grippe sonst üblich.
    Man kann sich vorstellen, wie groß die Angst vor der Krankheit war. Die reguläre Krankenversorgung kollabierte schnell, zumal die Mediziner dem Virus sehr wenig entgegenzusetzen hatten. Die Mittel der Wahl waren Schutzmaßnahmen wie Masken und im Falle der Erkrankung strikte Quarantäne, die man immer öfter in Turnhallen, Not-Hospitälern oder sogar behelfsmäßigen Zeltlagern zu erreichen versuchte. An vielen Orten wurden die Opfer in Massengräbern beigesetzt.
    Polizisten während der großen Grippe: In Teilen der USA wurde das Tragen von Atemschutzmasken bindend vorgeschrieben
    Den Pharmazieunternehmen und Geräteherstellern

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