Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
Höhepunkt der Grippewelle hingegen sogar zwingend vorgeschrieben. Einen einfallsreichen Ingenieur aus San Francisco, berichtete im Jahr 1919 Popular Mechanics , inspirierte das zu einem Produkt, das den Atemmasken-geplagten Rauchern das Leben erleichtern sollte: Seine Rauchermasken verfügten über ein Loch, in das man den Filter der Zigarette stecken konnte. Wenn man gerade nicht rauchte, konnte man seiner Pflicht auf einfache Weise wieder gerecht werden: Man verschloss die Nikotinschleuse mühelos mit einem Korken. Ob das wirklich ein erfolgreicher Businessplan war, ist nicht überliefert – aber die Pandemie war zu diesem Zeitpunkt auch schon fast vorbei.
Na, geht doch: Zwischen den Zichten konnte man diese Raucher-Atemschutzmaske mit einem Korken abdichten
Guck mal, was da zuckt:
Die seltsamen Anfänge der Neurologie
Elektrizität schien am Anfang des 19. Jahrhunderts vor allem für drei Dinge gut: Erstens für das Bespaßen von abendlichen Gesellschaften mit neckischen Spielchen; zweitens für den vergeblich verfolgten Versuch, Tote zu erwecken und drittens natürlich für Wissenschaftler und Quacksalber, die ein Studienobjekt suchten. Ganze Generationen arbeiteten sich an dem Versuch ab, die Zusammenhänge zwischen Elektrizität und Magnetismus zu entschlüsseln, Nutzen in von Strom induzierten chemischen Prozessen zu finden oder therapeutische Wirkungen zu erzielen, die meist einzig und allein auf der Grundannahme beruhten, dass die »Lebenskraft« Elektrizität schon irgendwie gut sei für den Patienten.
Das war sie mitnichten. Im günstigsten Fall erzielten die betreffenden Doktoren dank des Placebo-Effekts kleine Erfolge. Im häufigeren, ungünstigsten Fall verursachten sie neurologische Schäden – oder brachten ihre Patienten um: Da sich Muskelkontraktionen besser erzielen ließen, wenn man den Muskel direkt reizte, setzten viele der mit galvanischem Equipment hantierenden »Therapeuten« Nadeln als Elektroden ein. Unzureichende Hygiene sorgte bald dafür, dass Tetanus-Infektionen zu den oft tödlichen Nebenwirkungen eigentlich harmloser Elektrotherapien gehörten. Mit einer Therapie im Wortsinn hatte all das letztlich nichts zu tun: Es war ein Experimentieren mit einer weitgehend unbekannten Kraft am lebenden Patienten – unsystematisch und ohne jegliche theoretische und methodische Grundlage.
Zu ebenjener gehört ganz zwangsläufig die Erforschung des »Wenn dies, dann das«, der Zusammenhänge von Ursache und Wirkung also. Genau darum ist Guillaume Benjamin Amand Duchenne de Boulogne bis zum heutigen Tag mitunter auch Nicht-Medizinern bekannt: 1862 veröffentlichte der Franzose einen »Atlas« von aus heutiger Sicht grotesk und lustig erscheinenden Fotografien, die den Zusammenhang von Reiz und Wirkung bei der elektrischen Stimulation von Gesichtsmuskeln bis ins Detail dokumentieren. Das sieht aus wie Folter, war tatsächlich aber akribische Wissenschaft.
Sie war Duchenne de Boulogne nicht in die Wiege gelegt worden. Der Mann war trotz seines Namens keineswegs von Adel: 1806 als Sohn eines Seemanns geboren, zeigte Duchenne früh akademische Talente, gleichzeitig jedoch einen ziemlich schwierigen, eigenbrötlerischen Charakter. Das eine brachte ihn alsbald zum akademischen Titel, das andere verhinderte seine akademische Karriere. Duchenne galt als verstockter, detailversessener Perfektionist – heute würde man ihn wohl als Nerd bezeichnen. Er war demnach niemand, mit dem man gerne arbeitete.
Duchenne de Boulogne: Pionier der Neurologie
Duchenne machte sich auch deshalb beizeiten selbstständig und eröffnete 1832 eine Praxis in Boulogne, die er zehn Jahre lang betrieb. Als seine Frau nach Geburt des ersten und einzigen Sohnes noch im Kindbett an einer Infektion starb, beschuldigten ihn seine Schwiegereltern, die Verantwortung dafür zu tragen, habe er doch als Arzt versagt. Sie erwirkten, dass ihm das Sorgerecht für seinen Sohn entzogen wurde. Der wohl vor allem von seiner verbitterten Schwiegermutter gestreute Ruf des gefährlichen Quacksalbers, der ihre Tochter quasi getötet habe, hing ihm von da ab hartnäckig an, die Praxis ging 1842 pleite – und Duchenne nach Paris. Dort bekam er seinen scheinbar adligen Namen: Zu »de Boulogne« wurde er im Krankenhaus, an dem er eine Anstellung fand, weil dort bereits ein anderer Duchenne arbeitete. Von nun an hieß er Duchenne aus Boulogne.
Wie in seinen ersten Berufsjahren eckte Duchenne wieder kräftig an. Er entwickelte an Fanatismus
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