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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Patalong
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brachte all das einen waren Boom in einem bis dahin weniger wichtigen Bereich: Mittel und Apparate zum Schutz oder zur Stärkung der Lungen.
    In den Zeitungen wimmelte es nun von Anzeigen für Hustenmittel, angeblich präventiv wirkenden Tinkturen oder Gazemasken für die Bewegung im öffentlichen Raum. Das Tragen von Schutzmasken war in einigen Regionen sogar Pflicht, aber konnte man Papier-oder Stoffmasken wirklich trauen? In der technisch-wissenschaftlichen Fachpresse wurden im Monatstakt neue Gasmaskenmodelle vorgestellt, der Krieg hatte hierfür wichtige Impulse gegeben. Vor allem boomte der Verkauf von Inhalationsapparaten verschiedenster Bauform – als könnte man Viren dadurch stoppen, dass man die Atemluft mit ätherischen Ölen oder Parfüm versetzt.
    Auch mit dem Abebben der Pandemie sollte dieses Geschäft so schnell nicht wieder verschwinden, und in gewissem Sinne läuft es bis heute. Zu tief saß der Schock darüber, wie verletzlich die Welt gegenüber Pandemien ist. In den Ausgaben der populärwissenschaftlichen Magazine der folgenden Jahre gehören Hygiene, Grippe-Präventions-und Körper-Stählungs-Themen zum festen Programm. Popular Science zeigte in einer Ausgabe im Jahre 1920, wie weit der vom Publikum offenbar goutierte thematische Rahmen reichte – von augenzwinkernd-humorig bis nüchtern-sachlich.
    »Wissenschaftler«, liest man da, »warnen uns, dass Küsse unhygienisch sind und alle Arten schädlicher Krankheitserreger übertragen. Die meisten von uns sind gewillt, dieses Risiko auf sich zu nehmen, aber es gibt immer ein paar besonders Vorsichtige, die nach dem puren, perfekten Kuss streben. Einer von ihnen hat diese Kuss-Abschirmung erfunden, die man leicht als Pingpong-Schläger nutzen könnte, wenn sie gerade nicht gebraucht wird. Ihr Netz ist mit einem Antiseptikum getränkt, dass alle Keime töten soll.«
    Sicher ist sicher: Wer durch einen Filter küsst, schützt sich vor Ansteckung – eine Art Kondom für die Lippen
    Hatte der Redakteur, der das schrieb, nun seinen Spaß mit diesem Unsinn, oder lästerte er, weil ihm die Hygiene-Hysterie langsam auf den Wecker ging? Wahrscheinlich beides.
    An anderer Stelle in der gleichen Ausgabe zeigte Popular Science , dass es hier durchaus um ein gefragtes Sachthema ging. Das Magazin stellte dort neue, schicke »Vaporisierer« vor, die teils auch unterwegs einsetzbar sein sollten oder mit angeschlossenen Pumpen Wirkstoffe und Atemluft verwirbelten – bei den Top-Geräten in individuell abgemessener Dosierung und je nach Wunsch auch gemixt mit verschiedenen Wirkstoffen.
    Denn nur durch tiefes Einatmen, informierte das Blatt seine Leser, könne man die heilsamen Stoffe an all die Orte in Mundraum, Kehle und Lunge befördern, die man durch die reguläre Einnahme von Medikamenten nicht erreichte. Geradezu bizarr mutet aus heutiger Sicht dann das Prunkstück der neuen Gerätegeneration an, die die Isolation der Inhalierer beendete und die Krankheits-Prävention zum sozialen Ereignis machte: Der »Familien-Vaporisierer« erinnert an eine türkische Wasserpfeife und bot bis zu sechs Inhalierern Gelegenheit, durch ihre eigenen Mundstücke gemeinsam tief einzuatmen.
    Inhalatoren: Lungenschutz war Selbstverteidigung. Das gemeinsame Inhalieren kann man dabei durchaus als Konzeptfehler sehen
    Solche, der Medizintechnik entlehnten Geräte wurden durch die Spanische Grippe zur massenhaft verbreiteten Haushaltsausstattung: Wohl nicht zuletzt der Schock der Pandemie führte dazu, dass man gesundheitsfördernde, der Prävention und Behandlung dienende Utensilien im Haus vorrätig hielt – vom Inhalator über das Massagegerät bis hin zu Tinkturen und homöopathischen Mitteln. Was den Körper kräftigen, optimieren und schützen sollte, war besser verkäuflich als je zuvor.
    Und nicht nur das: Im Kielwasser der Grippe-Angst schipperten natürlich auch Geschäftemacher anderer Art, die sich zu bereichern suchten. Einen regelrechten Boom erlebten die Zellstoff-Hersteller, die Papiermasken in bis dahin nicht gekannter Quantität auf den Markt warfen. Schließlich konnte sich nicht jeder eine echte Gasmaske leisten – und in Wahrheit wollten das sowieso nur wenige. Das Atmen durch eine solche Maske ist eine Qual, die körperliche Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt.
    Stärkungsmittel: Die Angst vor der Grippe bereitete den Markt für alle möglichen Wässerchen und Tinkturen
    In Teilen der USA wurde das Tragen von Papiermasken in der Öffentlichkeit auf dem

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