Der Vogelmann
schob sie in die Tasche. »Ich brauche einen aus dem Team.«
Maddox seufzte. »Also gut. Nehmen Sie, wen Sie wollen.« Er machte mit dem Kopf ein Zeichen auf Essex. »Ihn wahrscheinlich.«
Bliss zerrte sie über das Ablaufbrett zur Durchreiche hin, und ihr Hüftknochen krachte gegen das Spülbecken. Eine Teekanne fiel klirrend auf den Boden, und kalter Tee spritzte auf ihre Beine.
»WAS SOLL DAS?«
»Halt’s Maul«, zischte er. »Halt’s Maul und schrei nicht.«
»MALCOLM!«
Seine großen Hände umklammerten ihren Arm.
»WAS ZUM TEUFEL MACHEN SIE DA?«
»Ich sagte , halt’s Maul.«
Und dann wickelte sich das Klebeband – das Klebeband, das verdammte Klebeband, das ich für ihn abgezogen habe – um ihre Handgelenke. Sie warf sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen das Spülbecken und rammte den Arm durch die schmale Öffnung. Suchte nach seinen Händen. Fand sie. Kratzte. Schlug. Aber er wich nicht zurück.
Er ist stark. Der kleine Mistkerl, das sieht man ihm nicht an. Du gehst ihm in die Falle.
Seine roten Augen waren jetzt nahe der ihren, und seine Hände versuchten, ihr ein Stück Klebeband über den Mund zu ziehen. Nein! Sie riß den Kopf weg, aber das Band fand unglücklicherweise Halt, und plötzlich war Bliss verschwunden, den Gang hinunter.
O Gott. Heftig drehte sie die Hand. Das Band zog sich zusammen und grub sich tiefer in ihr Gelenk. Was zum Teufel macht er bloß?
Eine Tür schlug zu. Die Wohnung wurde still.
Rebecca lag über dem Abwaschbecken, atmete schwer durch die Nase, aber ihre Sinne waren aufs äußerste geschärft. Sie riß sich das Klebeband vom Mund, knüllte es zusammen und warf es ins Abwaschbecken. Sie griff durch die Öffnung und stellte fest, daß er ihre Hand an ein Wasserrohr gefesselt hatte. Sie hob ein Knie auf das Abwaschbecken und schwang sich auf das Ablaufbrett. Geschirr fiel klirrend ins Becken. Das Aluminium gab nach und sprang wieder in die alte Form zurück, als sie auf Knien zur Durchreiche hinüberrutschte.
»Joni!« rief sie den Gang hinunter. »Joni!«
Stille –
»Joni!«
Stille.
Rebecca ließ keuchend den Kopf sinken.
Also, komm, beruhige dich und denk nach. Was zum Teufel hat er vor, der kleine Mistkerl? Was zum Teufel denkt er sich bloß dabei.
Mit eisiger Klarheit tauchte der Gedanke in ihr auf, nahm ihr den Atem.
O mein Gott, nein!
Sie erstarrte, während sie in nassen Kleidern, mit aufgerissenen Augen und blutenden Knien auf dem Ablaufbrett hockte, mehrere Sekunden den Atem anhielt und nur ihr Puls pochte.
Mach dich nicht lächerlich, Becky, doch nicht er, doch sicher nicht er.
Und warum nicht er? Joni ist gar nicht hier. Er hat gelogen. Gelogen, um dich in seine Wohnung zu locken.
Aber Malcolm?
Warum denn nicht Malcolm?
Und dann kam der Adrenalinstoß, der weißglühend durch ihren Körper schoß und ihr neue Kraft gab. Sie holte tief Luft.
Wie rasend drehte sie ihre Hand und zerrte an dem Klebeband. Lieber wollte sie sich den Arm abreißen, als hier in der Falle zu sitzen.
Du großes, ausgefuchstes Mädchen, du VERDAMMTE IDIOTIN, du bist geradewegs hier hereinmarschiert.
»Sei still.« Sie hörte ein Flüstern am Ohr. »Halt dein verdammtes Maul, oder ich nehm’ das.«
Detective Inspector Basset saß mit ausgestreckten Beinen, den Stuhl ein wenig nach hinten gekippt, an seinem Schreibtisch und hatte die Hände leicht über dem Bauch gefaltet. Er war seit einer Stunde hier, sah aus dem Fenster auf Leute hinaus, die in Royal Hill einkauften, und putzte sich mit einer Heftklammer die Fingernägel. Er dachte über Susan Lister und ihren Mann nach. Der Chief Superintendent hatte ihm heute morgen eine Predigt gehalten, daß er engere Verbindung mit dem AMIP halten müsse.
Das Telefon klingelte auf seinem Schreibtisch.
»Detective Inspector Basset, CID.«
»Bitte. Bitte unternehmen Sie etwas, Detective. Ich halt’ das nervlich nicht mehr aus. Es wird gebrüllt und geschrien. Es ist unglaublich.«
Basset ließ den Stuhl zurückkippen. »Hallo? Wer spricht?«
»Violet, Violet Frobisher.«
Rebecca wirbelte herum. Keuchend, mit glühenden Augen und entblößten Zähnen.
Er stand einen guten Schritt von ihr entfernt, gerade außerhalb ihrer Reichweite, und hatte den Finger an die dicken Lippen gelegt. Er öffnete seine Strickjacke und wandte die Augen ab, als er auf seine Lenden hinunterdeutete, als wäre das, was er ihr zeigte, so unanständig, daß er selbst keinen Blick darauf zu werfen wagte. Zögernd senkte sie den
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