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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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er breitete wieder die Arme aus. »Ja, ja. Nur dort hinein, gehen Sie rein, gehen Sie rein.«
    Rebecca seufzte. Jesus. Sie schüttelte den Kopf und ging hinein. Die Küche war heiß und roch nach saurer Milch. Kodenswasser lief am Fenster hinab und sammelte sich unter den toten Fliegen auf dem Sims, die darin schwammen. Drei Stühle standen dicht gedrängt um einen kleinen Tisch, darauf schmutziges Geschirr, eine Tasse Tee und Schalen: alles mit einer feinen Staubschicht bedeckt. Weitere Fliegen summten an der Decke.
    Bliss nahm einen der Stühle, begann daran herumzufummeln und steckte einen Finger in den zerschlissenen Plastiksitz. »Der taugt nichts, der Sitz ist kaputt. Ich kann Sie doch nicht auf dem kaputten Sitz Platz nehmen lassen.« Er stellte den Stuhl weg und wühlte in einer Küchenschublade herum. »Da haben wir’s.« Er drehte sich mit einer Rolle braunem Klebeband in der Hand um, zupfte mit schmutzigen Fingernägeln daran herum und versuchte, den Anfang zu finden. »Ich habe immer Schwierigkeiten mit diesem Zeug.« Er streckte ihr die Rolle entgegen. »Vielleicht könnten Sie – Sie wissen schon. Fingernägel.«

    Rebecca seufzte genervt auf. »Geben Sie’s mir.« Sie riß ihm die Rolle weg, löste das Ende des Klebebandes ab, zog es ein paar Zentimeter auf und schob es ihm wieder hin. »Also, Joni.«
    »Ja, schon gut! Schon gut!« Schnell klebte er das Band über den Sitz, stopfte die Rolle in seine Hosentasche und schob ihr den Stuhl hin. »Ich gehe schon. Ich gehe!« Ergeben hob er die Hände und eilte hinaus. In der Milchglasscheibe der Durchreiche über dem Abwaschbecken sah sie verzerrt seinen Kopf, als er vorbeiging, und überlegte, ihm in den Flur zu folgen und ihm ein bißchen Beine zu machen, als sein komisches dicklippiges Gesicht wieder in der Durchreiche erschien. Seine Hände strichen über die Scheibe, und sie sprang auf.
    »Würde es, ähm, würde es Ihnen etwas ausmachen…« Er öffnete die Scheibe einen Spalt, streckte den Kopf hindurch und machte ein Zeichen in Richtung des Tisches. »Würde es Ihnen etwas ausmachen? Ich habe ihr eine Tasse Tee gemacht. Sie steht dort drüben. Ich habe sie vergessen.«
    »Ist sie wach?«
    »Ja, ja. Aber sie möchte Tee. Den Tee bitte.«
    Sie verdrehte die Augen.
    Jetzt laß es bloß gut sein, Malcolm, um Himmels willen.
    Dann reichte sie ihm die Tasse. Er riß sie ihr aus der Hand. »Danke. Und die Kekse, tut mir leid, nur noch die Kekse, wenn Sie so freundlich wären.« Er strich sich mit der Hand über den Kopf. »Joni ist eine anspruchsvolle kleine Dame.«
    »Um Himmels willen, Malcolm.« Rebecca reichte ihm die Keksschachtel. »Würden Sie sie jetzt bitte aufwecken!«
    »Natürlich, natürlich«, antwortete er höflich, packte ihr Handgelenk und drehte es heftig herum.

48. KAPITEL
    I n Shrivemoor wurde die Befragung der Nachbarschaft organisiert, der Besprechungsraum duftete nach Kaffee, nach frisch gebügelten Hemden und Rasierwasser. Marilyn und Essex saßen im Büro des Senior Investigation Officers, als Jack mit nassem Haar und zerknittertem Anzug eintraf. Ohne ihre Mienen zu beachten, nahm er ein Adreßbuch von seinem Schreibtisch und schlug die Seite mit Lewisham auf. Er war der Lösung schon ganz nahe, sie lag praktisch auf der Hand. Er mußte nur den Scheinwerfer in die richtige Richtung lenken.
    Schnell schrieb er fünf Namen heraus. Alle Straßen im Umkreis von hundert Metern um die Baustelle in der Brazil Street. »Marilyn«, sagte er, erhob sich und hielt den Zettel hoch. »Gib die in HOLMES ein, und sag mir die Treffer.«
    Er hielt inne.
    Das Fax von St. Dunstan lag seit letztem Abend immer noch auf seinem Schreibtisch, die Deckseite war zerknittert. Alle Namen, die mit B begannen:
    Bastin, Beale, Bennet, Berghassian, Bigham, Bliss, Bowman, Boyle.
    »Jack?«
    Aber Jacks Ausdruck hatte sich verändert. Sein Blick hatte sich an der Adresse unter Malcolm Bliss’ Namen festgesaugt.
    34A Brazil Street.
    Das Gesicht auf dem Bild – die schlechten Zähne. Bliss, der sich über Bauarbeiten beklagte, als er ihn das erste Mal im St. Dunstan getroffen hatte. Mein Gott, wie konnte er das nur übersehen haben!

    »Jack. Hören Sie?«
    Er sah auf. Maddox, Essex und Marilyn starrten ihn an.
    »Hören Sie uns zu?«
    »Ja, ich …«
    »Ich habe gerade gesagt, daß Sie die Nachbarschaftsbefragung heute leiten können.« Maddox verschränkte die Arme. »Stellen Sie mit Marilyn einen Fragebogen zusammen.«
    »Nein.« Jack riß die Seite ab und

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