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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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ärgerlich den Kopf. Malcolm, es ist wichtig. Wissen Sie, wo sie hingegangen ist?«
    »Also, Pinky…« Seine Zunge mahlte unter seinen dicken Lippen, als würde er an etwas kauen. Er zog seine Strickjacke enger um sich und bedeckte den aufgeblähten Bauch. »Sie wissen doch ganz genau, daß Joni keine Zeit für mich hat.«
    »Schon gut.« Sie hob die Hände und wandte sich ab. Sein Selbstmitleid machte sie wütend. »In Ordnung, tut mir leid. Wenn Sie sie sehen, richten Sie ihr aus, daß sie mich anrufen soll. Es ist wichtig.«
    Sie drehte gerade das Pedal herunter, als sie bemerkte, daß Bliss sie von der Tür aus immer noch beobachtete.
    Sie sah auf. »Ja?«
    »Ich …« Er sah besorgt auf die Straße hinaus. »Ich habe ja gar nicht gesagt, daß sie nicht hier ist. Das habe ich nicht gesagt. «
    Rebecca runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
    »Sie haben mißverstanden, was ich gesagt habe.« Bliss trat von der Tür zurück und deutete den Flur hinunter. »Sie schläft noch. Kommen Sie rein, und ich sage ihr, daß Sie hier sind.«
    Rebecca lehnte langsam das Fahrrad wieder gegen die Wand.
    Mein Gott, Malcolm, du bist der König aller Irren. Wirklich.
    Kopfschüttelnd ging sie zur Tür zurück.
     
    Die Brazil Street war eine Wohnstraße, die von tropfenden Pflaumenbäumen gesäumt war. Die viktorianischen Häuser zierten Auffahrten und langgestreckte, mit dichtem Buschwerk bewachsene Gärten. Die meisten zeugten von Wohlstand, hatten angebaute Garagen, die von wildem Wein und Geißblatt überwuchert waren, und davor parkten teure Secondhandautos. Caffery ließ den Jaguar am Ende der Straße stehen, hielt sich das Jackett über den Kopf und folgte dem komplizierten
Muster aus schlammigen Lastwagenspuren zu den Toren von Korner-Mackelson.
    Wie Wächterlöwen standen auf jeder Seite der Einfahrt zwei Zementmischer hinter den Toren, dahinter ein unbemanntes Raupenfahrzeug, dessen schmutzbedeckte Flanken vom Regen gemasert waren. Das Grundstück erstreckte sich etwa hundert Meter nach hinten, bis zu der Ecke des Schulhauses aus rotem Ziegelstein, um dann seitwärts fast fünfhundert Meter entlang der Gärten zu verlaufen.
    Er hielt sich am Geländer fest und sah auf die Arbeiter, die zusammengedrängt unter dem Gerüst standen, rauchten, Kaffee aus Thermosflaschen tranken und warteten, bis der schlimmste Regen nachgelassen hatte. Allein hier zu sein, so nahe, wo er die verborgene Spur, die zum Vogelmann führte, vielleicht schon streifte, ließ seinen Puls rasen. Mit den Beweisen, die das Forensische Institut geliefert hatte, wäre es ein leichtes, Einsicht in die Personalakten nehmen zu dürfen, die Marilyn dann eingeben und sehen könnte, was HOLMES ausspuckte. Aber in diesem Moment war Caffery, der hier im Regen stand, näher dran als alle anderen zuvor: fast hautnah.
    Wie immer war die Versuchung groß, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, sofort zu handeln, nicht zu warten und nach Vorschrift vorzugehen. Aber er war gut ausgebildet. Er stieß sich vom Zaun ab und ging mit durchweichten Socken und am Körper klebendem Hemd zum Jaguar zurück, sperrte die Tür auf, steckte den Schlüssel ins Zündschloß, um dann plötzlich mit einem Ruck die Tür wieder aufzureißen und auf die Straße hinauszuspringen.
    Er ging direkt auf einen grünen Polo zu, der hinter dem Jaguar parkte, blieb einen Moment stehen und starrte auf die Windschutzscheibe. Dann richtete er sich auf, drehte sich um, sah auf die anderen in der Nähe geparkten Autos und rannte hinüber, um jedes einzelne genau zu inspizieren: einen Volvo, einen Corsa, einen alten Landrover.
    Sie alle hatten hier länger geparkt als der Jaguar, der nur ein
paar Minuten hier gestanden hatte. Auf allen hatte der Regen ein kunstvolles Muster eingekerbt. Zementstaub. Er war von der Baustelle herübergeweht, und das Wasser hatte diese Maserung aufgestempelt.
    Jack strich mit dem Finger über den Türrand des Polo und betrachtete ihn einen Moment; seine Gedanken rasten. Dann drehte er sich um und starrte wieder die Brazil Street hinunter.
     
    Drinnen war es stickig, die Böden waren klebrig. Ganz so, als hätte er an diesem feuchten frühen Sommertag die Heizung angedreht. Bliss stand mit ausgebreiteten Händen im Flur und verwehrte ihr den Zugang zum hinteren Teil der Wohnung.
    »Nein, dort hinein, dort hinein. In die Küche.« Er öffnete die Tür.
    »Schon gut. Ich möchte bloß mit Joni reden.« Sie machte einen Versuch, an ihm vorbeizugehen. »Ich bleibe nicht.«
    Aber

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