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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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einem adretten Pagenkopf geschnitten, und ihre Nase wirkte unwahrscheinlich winzig in dem angespannten Gesicht. Sie hatte einen erdbeerfarbenen Jogginganzug aus Samt an, dazu passende hochhackige Pumps, und sie hielt den Kopf, als balancierte sie ein unsichtbares Glas, während sie Caffery durch den korkgefliesten Flur führte. Eine weiße Perserkatze, die Jacks Anwesenheit aufgeschreckt hatte, sprang vor ihnen durch eine offene Tür. Caffery hörte eine männliche Stimme, die drinnen im Zimmer auf sie einredete.
    »Mein Mann«, sagte Julie ausdruckslos. »Ich habe ihn vor zwanzig Jahren in Japan kennengelernt.« Sie schloß die Tür. Caffery erhaschte kurz einen Blick auf einen riesigen Mann in einer Weste, der auf der Bettkante saß und sich mit der Trägheit eines Walrosses den Bauch kratzte. Das Zimmer war durch die Sonne schwach erhellt, die durch einen Spalt zwischen den Vorhängen einfiel. »Amerikanische Luftwaffe«, flüsterte sie, als würde dies erklären, warum er sich ihnen nicht anschloß.
    Caffery folgte ihr ins Büro, einen Raum mit niedriger Decke, in den durch zwei kleine Bleiglasfenster helles Sonnenlicht floß. Eine Biene summte zwischen den Fenstern, und hinter diesen entdeckte er einen roten Mercedes der E-Klasse, der in der Sonne glänzte. Irgendwo in der Gasse übte jemand Arpeggios auf einem Klavier.
    »Nun.« Julie setzte sich an ihren Schreibtisch, schlug die Beine übereinander und sah ihn nachdenklich an. »Caffery. Was für ein Name. Sind Sie Ire?«
    Er lächelte. »Vermutlich, Generationen zurück. County Tyron, dann Liverpool.«
    »Dunkles Haar, dunkelblaue Augen. Typisch irisch. Meine Mutter hat mich immer vor irischen Jungs gewarnt: Wenn sie nicht dumm sind, sind sie gefährlich, Julie. «
    »Ich hoffe, Sie haben sich daran gehalten, Miss, ähm, Darling. «

    »So heiße ich wirklich.«
    »Ja.« Er steckte die Hände in die Tasche und sah zu der niedrigen Decke hinauf. Sie war mit glänzenden Fotos bedeckt, unzählige Gesichter starrten auf ihn herab. »Ich wüßte gern, was Sie mir über…« Er brach ab.
    Unter einem lächelnden Gesicht, von Blondhaar umrahmt, war der Name Shellene Craw gedruckt.
    Also so hast du ausgesehen.
    »Shellene Craw war in Ihrer Kartei?«
    »Ah, Sie suchen also nach Shellene Craw. Das überrascht mich nicht sonderlich, Detective. Sie schuldet mir zwei Monate Vermittlungsgebühren. Zweihundert Pfund. Und jetzt schickt sie mir Sie auf den Hals, um mich wegen irgendwas dranzukriegen. Wegen Drogen vermutlich?«
    »Ich glaube nicht, daß Sie Ihr Geld bekommen werden.« Er setzte sich und faltete die Hände. »Sie ist tot.«
    Julie ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Ich hätte Ihnen gleich sagen können, daß das passiert – es war nur eine Frage der Zeit, wann sie eine Überdosis abkriegen würde. Die Kunden haben sich beschwert. Sie hatte Nadeleinstiche auf der Innenseite der Schenkel. Das hat die Freier abgestoßen. Und die zweihundert Pfund kann ich jetzt abschreiben. Ich schätze nicht, daß sie mich in ihrem Testament bedacht hat.«
    »Wann haben Sie das letzte Mal von ihr gehört?«
    »Vorletzte Woche. Dann ist sie letzten Mittwoch zu einem Auftritt nicht erschienen, ohne anzurufen.« Sie hielt inne und trommelte leicht mit den Fingerspitzen auf den Schreibtisch. »Den Kunden habe ich sofort verloren.«
    »Wo?«
    »Nag’s Head. Archway.«
    »Und wo war der letzte Auftrittsort, an dem sie erschienen ist?«
    »Hm …« Julie beugte sich vor, befeuchtete einen Finger und blätterte einen großen Loseblattordner durch. Caffery entdeckte einen grauen Streifen entlang des Scheitels, unter dem
die Kopfhaut leuchtendrosa durchschien. »Da.« Sie tippte auf eine Seite. »Sie muß im Dog and Bell noch aufgetaucht sein, weil ich von dort nichts gehört habe. Es war ein Auftritt zur Mittagszeit, letzten Montag.«
    »Das Dog and Bell?«
    »Trafalgar Road. Das ist in…«
    »Ja, ich weiß.« Caffery erschauerte leicht. »Das ist in Greenwich.« Das Betonwerk war weniger als eine Meile davon entfernt. Er begann eine neue Seite in seinem Notizbuch. »Hat Shellene an diesem Tag allein gearbeitet?«
    »Nein.« Sie neigte den Kopf zur Seite und sah ihn eindringlich an. »Werden Sie es mir sagen? War es eine Überdosis?«
    »Es war also noch ein anderes Mädchen bei dem Auftritt dabei?«
    Julie sah ihn einen Moment mit leicht zuckendem Mund an. »Pussy Willow. Sie tritt nur in Greenwich auf.«
    »Hat sie einen richten Namen?«
    »Wir haben alle richtige Namen,

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