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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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soweit ist.« Sie setzte sich auf seinen Stuhl und schmiegte sich an ihn wie Öl, sie drückte den Mund auf seine Wange, spielte mit seinem Haar und legte ihr linkes Bein über die Stuhllehne. Ihr Haar kitzelte seinen Hals. »Jackie. Hallooo. Kannst du mich hören?« Sie drückte ihm die Finger ins Gesicht, die Finger, die immer nach Menthol und teurem Parfüm rochen, und kuschelte sich in seinen Schoß.
    »Veronica …« Er spürte eine zögerliche Erektion.
    »Was?«
    Er machte sich frei. »Ich möchte eine Stunde hier arbeiten.«
    »O Gott«, stöhnte sie und kletterte herunter. »Du bist krank, weißt du das?«

    »Vermutlich.«
    »Vollkommen zwanghaft. Du gehst noch ein in diesem Loch, wenn du nicht aufpaßt.«
    »Das haben wir schon besprochen.«
    »Wir leben im 21. Jahrhundert, Jack. Du weißt, es geht immer weiter vorwärts und aufwärts.« Sie stand am Fenster und starrte in den Garten hinaus. »In meiner Familie wurde man dazu erzogen, die alten Bindungen hinter sich zu lassen, sich zu verbessern.«
    »Deine Familie ist ehrgeiziger als ich.«
    »Mein Gott.«
    »Was?«
    Er setzte die Brille ab und rieb sich die Augen. Bonbonfarbene Fische schwammen über den Bildschirm. Er war dreißig Jahre alt und brachte es dennoch nicht über sich, dieser Frau zu sagen, daß er sie nicht liebte. Nach den Tests und nach der Party, du Feigling, Jack, du Feigling, falls die Tests gut ausfielen, wäre es leicht. Dann würde er es ihr sagen. Ihr sagen, daß es vorbei war. Ihr sagen, daß sie ihm die Schlüssel zurückgeben sollte.
    »Was ist denn?« fragte sie. »Was habe ich jetzt schon wieder gesagt?«
    »Nichts«, antwortete er und machte sich erneut an die Arbeit.

8. KAPITEL
    D ie Sonne brannte so steil vom Himmel, daß man Kopfschmerzen bekam und die Schatten um die Gegenstände zu dunklen Rändern schrumpften. Caffery ließ beim Fahren die Fenster offen, aber Essex beklagte sich so sehr über die Hitze und machte ein solches Theater, indem er sich mit den Fingern unter den Kragen fuhr und sein Hemd wie ein geblähtes Segel vom Leib abhielt, daß Caffery sich geschlagen gab; nachdem sie geparkt hatten, schlossen beide ihre Jacketts im Kofferraum des Jaguar ein und spazierten mit hochgekrempelten Hemdsärmeln die Greenwich South Street hinunter.
    Hausnummer acht erwies sich als ein zweistöckiges georgianisches Gebäude mit einem Trödelladen im Erdgeschoß.
    »Harrison hat sich erinnert, was Craw getragen hat«, sagte Essex, als sie mit eingezogenem Kopf in einen kleinen Hauseingang auf der Linken traten. »Durchsichtige Plastiksandalen mit rosafarbenem Glitter in den Absätzen, schwarze Strumpfhose, einen Minirock und ein T-Shirt, glaubt er.« Er beugte sich zur Sprechanlage. »Klingt ganz nach dem Typ von Frau, den ich mag.«
    »Wie nehmen es ihre Eltern auf?«
    »Es scheint sie einen Dreck zu scheren. Sie kommen nicht nach London runter, bringen die Kosten für die Zugfahrt nicht auf. ›Sie war ’ne richtige kleine Nutte, Detective, wenn Ihnen das weiterhilft‹, ist Mamis Vorstellung davon, wie der Polizei zu helfen sei.«
    Das metallene Gehäuse der Sprechanlage begann plötzlich zu knistern, und beide zuckten zusammen. »Wer ist da?«
Caffery nahm seine Sonnenbrille ab und beugte sich zur Sprechanlage. »Detective Inspector Jack Caffery. Ich suche Joni Marsh.«
    Ein paar Augenblicke später ging die Tür auf, und ein schlankes Mädchen mit kastanienfarbenem Haar sah zu ihnen heraus. Er schätzte sie auf Ende Zwanzig, aber das lange Haar, die praktischen flachen Lederschuhe an den gebräunten Füßen und ein kurzes, himmelblaues Schürzenkleid aus Cordsamt verliehen ihr die Frische eines Schulmädchens.
    Er hielt seinen Ausweis hoch. »Joni?«
    »Nein.« Die Malpinsel, die aus zwei Schürzentaschen hervorlugten, vermittelten den Eindruck, sie sei beim Kunstunterricht gestört worden. Beim Kunstunterricht an einer teuren Mädchenschule. »Joni ist oben. Kann ich Ihnen helfen?«
    »Sie sind?«
    Sie lächelte ansatzweise und streckte die Hand aus. »Becky, Rebecca, meine ich. Joni und ich wohnen zusammen.«
    Caffery schüttelte ihr die Hand. »Dürfen wir hereinkommen?«
    »Ich, das heißt wir …« Sie wirkte verlegen. »Also…, nein. Eigentlich nicht. Tut mir leid.«
    »Wir haben ein paar Fragen bezüglich einer Bekannten von Miss March.«
    Rebecca strich den Pony aus den grünen Augen und starrte an ihnen vorbei auf die Straße hinaus, als erwarte sie Heckenschützen, die auf den Hauseingang zielten. »Es ist

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