Der Vollstrecker
wirklich passiert ist oder wozu Strutters Gang fähig war. Sie haben nicht tief genug gegraben.« Mit einem Mal war Tylers Stimme schneidend und kalt. »Es hat nicht erst auf der Highschool angefangen, sondern schon viel früher. Sie haben uns gequält und gequält, bis es nicht mehr zu ertragen war, und dann haben sie noch ein bisschen weitergemacht.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Beinahe jeden Tag habe ich Kate auf dem Nachhauseweg von der Schule weinen sehen. Sie haben sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen, um sie zu schikanieren: Sie haben sie beschimpft, ihr ins Gesicht gespuckt, sie geschlagen, sie auf die abscheulichste Weise gedemütigt ⦠es war ihnen scheiÃegal, was sie ihr damit antaten. Haben Sie auch nur die geringste Vorstellung davon, wie es sich anfühlt, jeden gottverdammten Tag Ihres Lebens ausgelacht und wie ein Stück Dreck behandelt zu werden? Können Sie auch nur ahnen, welchen Schaden das in der Seele eines scheuen Mädchens wie Kate anrichtet? Sie haben sie fürs Leben gezeichnet â aus Spaà . Einmal haben sie sie sogar mit menschlichen Exkrementen überschüttet, einfach nur weil ihnen gerade der Sinn danach stand.«
Hunter schloss einen Moment lang die Augen. Kate war dieselbe Katherine gewesen, von der James Reed ihnen erzählt hatte.
»Und dann war da Kates Vater«, fuhr Tyler fort. »Dieses besoffene, erbärmliche Arschloch. Sie kam von der Schule nach Hause, tränenüberströmt, und er hat sie angebrüllt und sie gleich weiter verprügelt. Ihre Mutter war nie da, sie hat sich um nichts gekümmert.« Tyler presste vor lauter unterdrücktem Zorn die Zähne aufeinander. »Sie haben ihr Selbstbewusstsein in Stücke gerissen. Ständig haben sie sich lustig über sie gemacht, haben sie so lange als hässliche Sau beschimpft, bis sie es wirklich geglaubt hat. Dabei war Kate das netteste und hübscheste Mädchen, das ich je gekannt habe. Ich hätte alles für sie getan.« Er musste kurz innehalten, weil er um Fassung rang. »Ich war klug. Ich habe schon früh herausgefunden, dass ich Geld verdienen konnte, ohne zu arbeiten oder auch nur aus dem Haus zu gehen. Alles, was ich brauchte, war ein Telefon.«
Hunter erinnerte sich daran, was Tyler beruflich machte. »Der Aktienmarkt.«
»Ganz recht, Detective«, sagte Tyler. »Ich kann gut mit Zahlen umgehen â besser als jeder andere. Ich habe den Markt von Anfang an durchschaut. Es war so simpel, dass ich gar nicht begriffen habe, wieso nicht alle ihr Geld auf diese Weise verdienen. Schon bald waren aus ein paar Dollar Hunderte geworden, aus Hunderten Tausende, aus Tausenden Zehntausende, und als ich in die elfte Klasse kam, hatte ich einhunderttausend Dollar auf dem Bankkonto.«
Hunter las die Befriedigung in Tylers Tonfall. »Sie hatten sich bereits eine neue Identität geschaffen, bevor Sie die Schule verlassen haben.«
»Sie sind clever, Detective.« Tyler lächelte. »Genau wie Kates Vater war auch meiner ein betrunkenes, nichtsnutziges Schwein. Als ich dreizehn war, starb meine Mutter, und von da an wurde es mit dem Trinken und dem Prügeln noch schlimmer. Wenn er je herausgefunden hätte, dass ich Geld zurückgelegt hatte, dann hätte er mich eiskalt abgestochen, um es in seine dreckigen Finger zu kriegen. Nicht einen Cent sollte er von mir haben.« Er hielt inne und wischte sich über den Mund. Er speichelte vor lauter Wut. »Alles, was man braucht, um in diesem Land einen Führerschein zu bekommen, sind eine bestandene Fahrprüfung und eine Geburtsurkunde, die man sich im Ãbrigen ganz leicht beschaffen kann, entweder indem man sie fälscht oder indem man sich die eines Verstorbenen aneignet. Und mit einem Führerschein und der gefälschten Geburtsurkunde kann man dann alle weiteren Dokumente beantragen, die man braucht.« Er lächelte stolz. »In der Schule war ich noch Michael Madden, aber drauÃen war ich längst Dan Tyler.«
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H unter musste dafür sorgen, dass Tyler weiterredete. Solange er redete, starb niemand.
»Aber damit Dan und Kate Tyler leben konnten, mussten Michael Madden und Katherine Davis sterben«, sagte Hunter, wobei er sich bemühte, nicht zu anklagend zu klingen.
Tyler begann im Raum auf und ab zu gehen. »Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich Kate von dem Plan überzeugt hatte. Ich habe
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