Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
Vom Netzwerk:
käme ohne Frau an die Spitze. Vor fünf Jahren hatte er sich einen Hund zugelegt, den die Kollegen auch ganz süß fanden.«
    Okay, Camille war Ukrainerin, das sprach im ersten Moment nicht direkt für sie. Aber immerhin klang ihr neuer Vorname nicht nach Kolchose-Pfannkuchen, und ihr Akzent war auch schon deutlich besser geworden.

Eine Weile hatte Attila darauf bestanden, dass sie bei öffentlichen Auftritten Englisch miteinander redeten, aber das war doch wohl etwas zu formal. Die Kollegen grienten natürlich erst mal. Aber hätte er sich eine Sekretärin nehmen sollen wie fast alle anderen Kollegen? Oder so eine aufgetakelte Barbie, die dumm wie Brot war und sich eines Tages kostspielig würde scheiden lassen?
    Attilas Anforderungsprofil war klar: vorzeigbar, langfristig einsetzbar, keine Mätzchen, Kinder. Bis auf die Kinder hatte sich Camille in den vergangenen zwei Jahren ordentlich
gemacht. Attila hatte gehofft, dass die Osteuropäerin etwas normaler funktionierte als die desorientierte Mitteleuropäerin, die vor jedem Stuhlgang erst mal ein Problemgespräch zum aktuellen Stand der Gender-Debatte führen musste. Diese Ukrainerinnen warfen Kinder doch eigentlich ab wie Gail Halvorsen einst die Schokolade über Berlin, hatte Attila gelesen. Nur Camille nicht.
    »Attilas Anforderungsprofil war klar: vorzeigbar, langfristig einsetzbar, keine Mätzchen, Kinder.«
    Heute würde sich vieles entscheiden. Vormittags Esoterik-Schnickschnack, nachmittags würde Camille in der Uni-Klinik die Ergebnisse ihrer Fruchtbarkeitsdiagnose bekommen. Die Experten würden die Ursache der ausbleibenden Schwangerschaft zweifelsfrei festgestellt haben und vor allem eine wirksame Therapie anbieten. Und dann wäre Schluss mit der Kleopatra-Nummer: Dann würde nicht wiedergeboren, sondern überhaupt erst mal angefangen. Wäreja noch schöner: Da befreite man eine Ukrainerin, aber leider die einzige im ganzen Land, die nicht funktionierte. Attila hatte mal ein Auto gehabt, Audi Coupé, wirklich schickes Fahrzeug, aber durch und durch verkorkst - nichts als Ärger und Kosten, Kosten, Kosten. Gab es womöglich nicht nur Montagsautos, sondern auch Montagsfrauen? Vielleicht war er auch zu zurückhaltend. Ein Rennwagen konnte ja auch nicht nur im ersten Gang bewegt werden. Camille brauchte mal eine Fahrt mit Vollgas. Attila hatte schon überlegt, ein Kind zu adoptieren. Aber wie sah das aus? Dass der Vater nicht konnte und sich jetzt eine Familie aus dem Katalog zusammenstellte, so wie Madonna.

    Vielleicht war es sogar ganz gut, dass Camille nicht gleich in den ersten Monaten schwanger geworden war. Niemand konnte ihm vorwerfen, Camille nur als schicke Gebärmaschine verpflichtet zu haben.
    Attila hatte sich eine umwerfende Strategie einfallen lassen, um Ressentiments umgehend zu ersticken. Man musste nur zwei Informationen in jedem Gespräch möglichst früh streuen. Erstens: Ihr Vater war Professor, na gut, nur an einer Berufsakademie und eigentlich auch nur Dozent, aber das prüfte ja keiner nach. Und zweitens hatte sie ihre Abschlussarbeit über Architektur in der Literatur geschrieben - faszinierendes Thema.
    Ein bisschen klassische Bildung konnte nicht schaden. Seit Attila ganz am Anfang seiner Laufbahn bei Wesley auf einer Konferenz mal von »Däntens Tod« geschwärmt hatte und alle daraufhin anfingen zu lachen, war er mit kulturellen Themen sehr, sehr vorsichtig geworden.
    Der »Dänten« hing an ihm wie ein alter Kaugummi unter der Schuhsohle. Neulich, als man in der Video-Schalte die üblichen Ski-Angebereien austauschte, sprach die Bindinger »St. Anton« leicht französisch aus; es klang wie »Stontong«. Die älteren Kollegen brüllten vor Lachen. Er hatte Camille auch geheiratet, damit sie ihm half, künftig solche überflüssigen technischen Fehler zu vermeiden. Dummerweise war sie deutlich weniger kulturinteressiert, als sie beim Kennenlernen behauptet hatte. Neben Mode interessierte sie sich vor allem für jede Art von Esoterik. Gleich in den ersten Monaten in Berlin war sie auf ein paar Landsmänninnen getroffen, die sich ebenfalls an irgendwelchen Hokuspokus-Geschichten berauschten.
    Attila hatte immer gedacht, dass Esoterik eine Spezialität von gelangweilten und nicht durchgehend belichteten Prominenten-Gattinnen sei: Pilates mit Promi-Tante eben. Aber
offenbar war die Ukrainerin an sich ebenfalls empfänglich für Vodoo. Camille war jedenfalls seit ein paar Monaten fest überzeugt davon, in einem früheren Leben eine

Weitere Kostenlose Bücher