Der Vollzeitmann
Winzer an der Mosel, der die Früchte einzeln verpackt verschickte. Ein paar geeiste Salbeiblätter als Deko, und fertig war der erste Knaller.
Zum Lamm gab es dann fair gehandelte Kenia-Böhnchen, die tatsächlich aus Kenia stammten, von einem Sozialprojekt, das Martins Agentur seit zwei Jahren betreute. Unter dem Motto »Bohnen statt Bomben« hatten sie zusammen mit einem Pharma-Unternehmen einen Modellgarten anlegen lassen, wo hochwertiges Gemüse von den Eingeborenen angebaut wurde.
Die Medien hatten sich wie verrückt auf das Thema gestürzt. Und die Pharma-Firma war froh, dass diese unselige Debatte über den Verkauf abgelaufener Psycho-Pillen in Afrika endlich vom Tisch war. Was war schon dabei, wenn man Antidepressiva zu günstigen Preisen verkaufte, Haltbarkeitsdatum hin oder her? Es ging doch darum, dass dieser Elendskontinent endlich eine Perspektive bekam. Und wer HIV-positiv war, der hatte garantiert auch eine Depression. War das Haltbarkeitsdatum da wirklich so wichtig? Ein kleiner Fehler war bei der PR für die Mustergärtnerei allerdings unterlaufen: Die Vorstellung, dass ein aidsinfizierter Farbiger genau die Bohnen in der Hand gehalten hatte, die man sich gerade in den Mund steckte, erzeugte nicht bei jedem Gourmet große Freude. Die HIV-Rate da unten war nun mal gewaltig; kein Wunder, wenn es jeder mit jeder trieb. Und ob sie sich jedes Mal die Hände wuschen, nachdem sie in der Zigarettenpause geschnackselt hatten - wer wusste das schon.
Immerhin: Die fair gehandelten Kenia-Bohnen waren exklusiv, die hatte sonst keiner in Berlin. Sie hatten eine Story. So wie das Traubenkernöl, das gregorianische Mönche bei Vollmond pressten, während sie ihre Choräle sangen. Wissenschaftler hatten festgestellt, dass dieses Öl deutlich mehr Schutzsubstanzen gegen freie Radikale aufwies. Zufall? Oder bestand tatsächlich ein Zusammenhang mit dem weltweit einzigartigen Pressverfahren?
Immer, wenn es akribisch wurde, detailverliebt und präzise, waren Männer im Spiel. Es waren Männer, die die Kehrschaufel emaillierten, es waren Männer, die in Armenien jene Türstopper drechselten, die sie erst neulich angeschafft hatten. Es waren Männer, die der Ikeaisierung der Welt entgegenwirkten, die Produkte mit unendlich viel Zuneigung perfektionierten, gerade beim Kochen. Man musste ja nur mal beobachten, wie die männlichen Köche in den Fernsehkochshows vor den Frauen flohen. Lafer, Mälzer, Schuhbeck versteckten sich hinter Salatbergen, um nur nicht den halbgaren Fisch probieren zu müssen, den Sarah Wiener aus dem Ofen zog, mit einem angekohlten Stück Zitronengras obendrauf. Das war die asiatische Note. Yingyang und so. Frauensymbolik. Martin hatte eine Zitronengras-Allergie. Zitronengras, das war das Maggi der Generation Carport. Irgendwann würde es Kondome mit Zitronengrasgeschmack geben. Und die schmeckten ungefähr wie der Ofenfisch von Sarah Wiener. Nur konnten die Männer-Köche das natürlich nicht sagen. Man darf Frauen ja nicht kritisieren, schon gar nicht im Fernsehen, auch wenn jeder weiß, dass sie nicht vorrangig wegen ihres Talents, sondern wohl vor allem quotenhalber mitkochen dürfen.
»Am Ende war der Feminismus kein Gesellschaftsentwurf, sondern eine Sprach- und Denkregelung: Jeder Furz von Frauen roch nach Lavendel, der Mann konnte da nur noch stinken. Und wer das Gegenteil behauptete, war ein Chauvi-Schwein. Basta.«
Das war das Tückische an der Geschlechterdebatte: Jedes kritische Wort wurde sofort als Waffe interpretiert. Jungs, die frech waren, hatten ADS, aber Mädchen, die sich genauso aufsässig verhielten, galten als selbstbewusst. So kamen eben nicht die guten Frauen nach oben, die wie jeder Mann das Stahlbad des Täglich-kritisiert-und-damit-fertig-Werdens durchgemacht hatten, sondern jene, die den Feminismus für ihre Zwecke am besten umgedeutet hatten, mal die Reiterhof-Variante, wie Ursula von der Leyen, mal kulinarisch wie Sarah Wiener oder sexualsekretal wie Lady Bitch Ray.Am Ende war der Feminismus kein Gesellschaftsentwurf, sondern eine Sprach- und Denkregelung: Jeder Furz von Frauen roch nach Lavendel, der Mann konnte da nur noch stinken. Und wer das Gegenteil behauptete, war ein Chauvi-Schwein. Basta.
Lars steuerte sein Auto auf einen einsamen Parkplatz in einem verlassenen Industriegebiet an der Spree. Mitten in Berlin gab es überall Ecken, die menschenleer waren. Irgendwo fand sich immer ein lauschiges Plätzchen für einen Quickie oder ein kleines Nickerchen am
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