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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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Nachmittag.
    Zufrieden klappte Lars den Liegesitz zurück. Das Mittagessen mit dem Chef war schnell und überraschend schmerzlos verlaufen. Faszinierend: Diese neue Generation von Business-Typen war in Fünf-Minuten-Einheiten durchgetaktet. Lars hatte sechs Einheiten bekommen; das war viel. Seinen Chef interessierte vor allem, was dieser Hai von Wesley alles hatte wissen wollen, der Lars einen Tag lang auf die Finger geschaut hatte.
    Lars war Realist genug, um einzuschätzen, dass er nicht besonders gut abgeschnitten hatte. Also versuchte er, den
Hai unglaubwürdig zu machen. Der habe überhaupt keine Ahnung vom Business, erklärte Lars und flocht umgehend ein, dass er den Vertrag mit seinem wichtigen Kunden um ein Jahr verlängert hatte, erst heute Morgen. Der Chef nickte anerkennend.
    Er war promovierter Informatiker, nicht nur fünf Jahre jünger als Lars, sondern dazu auch noch ein netter Kerl, verheiratet mit einer scharfen Designerin, mit der er ein süßes Mädchen hatte. So viel Glück machte Lars fertig. Wenn der Chef ein Arsch wäre, käme er besser mit der Situation zurecht. Aber erfolgreicher als er selbst und obendrein in Ordnung, da fühlte er sich sofort wie ein Versager, ein alternder Versager obendrein.
    Der Chef machte sich Sorgen wegen der stagnierenden Zahlen, er hatte die Terminlisten überprüft, immer weniger Außentermine, er wollte wissen, wo es klemmte. Lars war gut in Form. Er redete wie ein Wasserfall. Er dozierte sich brillant aus der Klemme, machte konstruktive Vorschläge, lenkte mit jedem Satz von seiner eigenen Lustlosigkeit ab. Der Chef nickte verständnisvoll, klopfte ihm auf die Schulter: »Gut, dass wir erfahrene Kämpfer wie Sie an Bord haben, Lars! Arbeiten Sie nicht zu viel, Sie sehen müde aus!« Lars grinste gequält.
    Zum Abschied sagte der Chef: »Jeder hat mal so eine Phase.« Das klang versöhnlich, aber Lars wusste genau, was er dachte: Diese Phase sollte nicht zu lange dauern und sich auch nicht wiederholen. War doch klar, wie der Hase lief. Sympathie, Erfahrung, alles keine Kategorien - am Ende musste hinten ein fettes Plus stehen, bei jedem einzelnen Posten, auch bei Lars. Immerhin: Er hatte erst mal Bewährung bekommen; von Kündigung kein Wort. Nach acht Jahren brauchte er mindestens zwei sehr gut begründete Abmahnungen. Oder er hatte Recht auf eine fette Abfindung.

    Insgeheim wünschte er sich manchmal diese Lösung. Dann könnte er morgen abrauschen nach Ko Phanghan. Zur Full-Moon-Party.
    Die quälende Frage war, wie er jemals das Rentenalter in Würde erreichen sollte, ohne unterwegs von den Chefs dieser Welt aufgefressen zu werden. Vielleicht machten sie vorher schlapp, so wie sie an beiden Enden brannten; das roch alles nach früher Verbitterung und Herzinfarkt mit Mitte vierzig, dafür hatte Lars eine Nase. Die ersten grauen Haare kamen, hinten eindeutige Anzeichen von Glatze, da konnten die Führungskräfte noch so viel Marathon laufen. Und diese Mundfalten - der hatte doch Magenprobleme. Lebt nur für die Firma, dachte Lars, will ganz hoch hinaus, schrecklich, so wollte er nie werden. Der hatte wahrscheinlich seit Wochen keinen Sex mehr. Einer wie der Chef hatte nachts null Chancen im wahren Wettbewerb des Lebens. Lars nickte ein.

    Maik wachte auf, weil seine Knochen schmerzten, vor allem der Rücken. Er liebte sein Auto, den Nissan Patrol mit zwei Sitzreihen und Ladefläche. Nicht so eine blank gewienerte Angeberkarre, die Ökologen zu Recht als zwei Tonnen schweren Schwachsinn bezeichneten, sondern sein Arbeitsauto, geduldig, ausdauernd, belastbar, treu wie ein Pferd. Wer Bäume, Kettensägen, Felsbrocken durch die Gegend fuhr, musste keine Öko-Debatte scheuen. Besonders stolz war Maik auf die Winsch, jene mächtige Rolle, die ein Stahlseil locker aufwickelte, auch wenn ein Elefant daranhing.
    Maik checkte das Handy: eine SMS von Ulrike (»Denk bitte an Henrys Fußballtraining heute, 17h. Wo steckst Du? Ich liebe Dich«), zwei Anrufe aus dem Büro. Maik hatte immer
noch Watte im Kopf. Er stieg aus dem Wagen und blickte sich um. Zwei fette Walkerinnen mit Hund verschwanden Richtung See.
    Maik war allein. Gut so. Er war gern allein. Leider viel zu selten. Maik richtete seine Schritte exakt in die Richtung, in der er am wenigsten Weg vermutete. Er wollte richtigen Wald, nicht die platt gelatschten Autobahnen, die Tausende von Läufern, Kinderwagen, Spaziergängern planiert hatten. Wald, das war Kanada. Oder Finnland. Hinter jedem Baum ein Grizzly. Maik

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