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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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glücklich, wenn sie ihrer Umwelt demonstrieren konnten, dass sie perfekt waren in der Zucht von Super-Kindern. Martin graute vor dem Tag, da diese Brut das Land regieren würde. Wir werden
uns noch so nach den Arschlöchern vom Schlage Schröders und Fischers zurücksehnen, dachte er manchmal; vielleicht sogar nach Helmut Kohl.
    Warum vertraute eigentlich keiner mehr seinen eigenen Instinkten und den soliden Tipps der Großeltern? Nein, jeder musste täglich die neuesten Erkenntnisse aufsaugen und gleich an seinen Kindern ausprobieren. Jeden Tag kam eine neue Studie ans Licht, die das Gegenteil von der gestrigen Untersuchung behauptete. - So wie beim Schnullerkrieg. Erst hatte Dorothea nach einschlägiger Lektüre bestimmt, dass Norbert keinen Schnuller haben sollte, und damit alle Schlafprobleme wahrscheinlich heraufbeschworen. Neulich stand in irgendeinem Eltern-Blog, dass Schnullerentzug das Lispeln fördert, weil die Zungenmuskulatur nicht kräftig genug entwickelt sei.
    Und nun? Hatten sie Norberts Zukunft mal wieder verbaut? Er sah einen lispelnden Mittdreißiger, der nur einschlafen konnte, wenn ihn seine Pflegerin auf der Autobahn herumfuhr. Und dann noch der Kinderschänder aus dem Schwimmbad. Wer wusste denn, was an jenem Tag passiert war, als Martin gezwungen gewesen war, einer dieser Mütter Norbert zu überlassen, weil er wegen eines spontanen Fiebers zu Otto in die Kita hatte hetzen müssen? Konnte man das Schlimmste ausschließen?
    Martin nahm sich vor, demnächst mit seinen Jungs den Kinderpsychologen aufzusuchen, das war er den Kleinen schuldig. Insgeheim hoffte er, dass er da mit einem Rezept für Ritalin rausgehen würde. Irgendwie mussten die Knaben doch ruhig zu kriegen sein.
    Martin hatte sein iPhone noch in der Umkleidekabine gecheckt - immer noch keine Nachricht aus der Agentur. Warum wollten sie ihn nicht dabeihaben? Erst letztes Jahr hatte er die brillante Idee geboren, das Kreditkarten-Marketing
vom Flughafen in die Straßencafés zu verlegen und mit einem Vorteils-Club zu verknüpfen. Und eine große Bank hatte sofort angebissen. Seine Kollegen mobbten ihn, keine Frage. Martin ahnte auch, wer dahintersteckte.
    »Ist man nicht gerade Brad Pitt, ist man als Vater ungefähr so attraktiv wie ein Glas Pastinaken.«
    Das Babyschwimmen war wie immer eine Qual gewesen. Er war der einzige Mann unter acht Frauen, drei magersüchtig, fünf flusspferdig, aber alle guckten verklemmt. Sie steckten in gerüschten, getupften und gebatikten Monturen, die nur mit viel Phantasie als Badeanzüge zu erkennen waren. Warum trugen eigentlich immer nur Frauen im Internet solche scharfen knappen Teile?
    Martin verachtete die ständig überdrehten und Glück spielenden Super-Moms schon deswegen, weil sie ihn auch nicht leiden konnten. Sie grinsten immer ganz vertraut, aber in Wirklichkeit hielten sie ihn für einen Schlappschwanz, der seine Frau immer nur mit Calendula-Öl massierte, anstatt sie mal ordentlich durchzuhämmern. Allem politisch korrekten Geseier zum Trotz galt nach wie vor: Ist man nicht gerade Brad Pitt, ist man als Vater ungefähr so attraktiv wie ein Glas Pastinaken. Neulich hatte er gelesen, dass sich die Mütter, die ihre Kinder im selben Kindergarten wie Brad Pitt hatten, wie blöd aufbrezelten. Die Super-moms beim Babyschwimmen könnten sich wenigstens mal wieder rasieren.
    Wer alles tat, um die Anerkennung von Frauen zu gewinnen, der war gänzlich verloren. Martin guckte routiniert freundlich, in Wirklichkeit aber ignorierte er die Glucken,
die tausendmal spießiger, langweiliger,ängstlicher und uncooler waren als seine Reihenhaus-Mutter früher. Und sie kamen nicht umhin, ihn zu bewundern, wie schnell er wieder zurück war, nachdem Norbert mitten im Kurs die Delfin-Hose vollgekackt hatte. Unter der Männerdusche wurden schon immer die handfesten Dinge erledigt.
    Eigentlich war nur eine Frau halbwegs normal, das war die mongolische Übungsleiterin, die in Irland einen Aufbaukurs in integrativem Babyschwimmen absolviert hatte, was auch groß auf ihrem T-Shirt statt. Dorothea hatte sich gewünscht, dass Norbert in die englische Gruppe kommen würde, aber die war schon voll.
    Die integrative Gruppe war ein Experiment, sie folgte einem ganz neuen Ansatz, der erstmals in einer irischen Bauernhof-Kommune erprobt worden war und seither seinen pädagogischen Siegeszug um die Welt angetreten hatte: Behinderte und nichtbehinderte Kinder planschten zusammen, was einen wahnsinnigen Kulturschock

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