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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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in die Leitplanken donnerte, sich mehrmals überschlug und der schwere Wagen so brutal auf den Asphalt knallte, dass die Feuerwehrleute sich übergeben mussten beim Anblick jener Matsche, die mal Maik gewesen war. Was wäre dann?
    Ulrike würde heulen, die Kinder auch. Aber relativ bald hätte die Versicherung überwiesen, Anna bekäme ein Pferd, Henry einen neuen Computer, und alle hätten sich auf das bewährte Mantra geeinigt, dass das Leben schließlich weitergehen müsse.
    Maik stellte sich vor,dass alle Frauen, die er jemals gevögelt hatte, auf seiner Beerdigung erscheinen würden, am besten im Spalier aufgestellt, durch das der Sarg getragen würde. Er wusste nicht genau, ob er einen solchen Aufmarsch eher peinlich oder großartig finden sollte. Ulrike würde sich vermutlich wundern. Immerhin würde das Leid auf diese Weise in Grenzen gehalten. Gut so.
    Eines Tages würde er wirklich verschwinden, am liebsten
nach Costa Rica, die Schweiz Mittelamerikas. Gute Gartenarchitekten konnten überall arbeiten auf der Welt, zur Not sogar in Bangladesh. Lieber zweimal im Jahr die Papphütte weggeschwemmt, als lebenslänglich Leni und Heinz. Ulrike würde klarkommen. Interessant wäre allenfalls, wann sie einen neuen Kerl hätte und, vor allem, wen.
    Maik fand, dass ihm ein neues Leben zustand, wenn er im alten nicht übermäßig viel Unordnung hinterließ. Es war schließlich sein Leben, sein einziges. Ein Viertel davon hatte ihm die DDR schon genommen. Er wollte am Ende seiner Tage auf gar keinen Fall diesen fürchterlichen Gedanken haben: »Hätteste mal …« Hätteste damals doch diese Frau gevögelt … Hätteste damals mal deinen Plan verwirklicht … Hätteste dich damals doch getraut, mit Fee durchzubrennen … Hoffentlich hatte er die Kohle für Costa Rica nicht erst zusammen, wenn er nur noch mit Rollator durch die Straßen zockeln könnte.

    Attila hatte den Golftermin stark abgekürzt. Bernhardwar in Plauderlaune gewesen, während Attila versucht hatte, seinen Magen mit verschiedenen autosuggestiven Beschwörungen zu beruhigen. Attila war fest überzeugt, dass Bernhard tatsächlich der Zeuge seines Flatulenz-Konzerts auf der Toilette gewesen war. Und Bernhard wusste auch, dass die ekligen Geräusche von Attila stammten.
    Attila hatte sich dennoch dagegen entschieden, den Grund seiner Radikalabführung darzulegen. Er murmelte etwas von Austern, die wohl schlecht gewesen waren, und bestellte sich zum Beweis seiner inneren Stabilität einen doppelten Espresso. Das war mengenmäßig praktisch nichts, dennoch entfaltete der Kaffee eine gewaltige Sprengkraft. Attila
hatte kaum die Tasse an die Lippen geführt, da musste er auch schon einen Sprint Richtung Klo ansetzen. Bernhard guckte halb amüsiert, halb besorgt, als er zurückkehrte. Weil jedes Gespräch ein verlässliches Ergebnis brauchte, hatte sich Attila, wenn auch widerwillig, bereit erklärt, an einem Samstagvormittag mitzukommen in Bernhards Golfklub, um ein paar Bälle zu schlagen und zu sehen, wer sich dort herumtrieb. Attila hasste die Rolle als Praktikant. In seiner Position war er Meister, nicht Schüler. Was sollten denn die anderen Golfer denken? Andererseits musste er sich jeden Tag blamieren, auch an Wochenenden.
    Er schob gerade sein Rad über den Marmor des Hausflurs in den Hof, als Camille anrief. Sie stand noch im Foyer der Klinik, mit den Untersuchungsergebnissen unterm Arm. »Bei mir ist alles in Ordnung«, rief sie freudig in den Hörer, eine Spur zu laut, wie Attila fand.
    Man brauchte kein Hellseher zu sein, um zu übersetzen, was diese Nachricht bedeutete: Er hatte ein Problem. Und was für eins. Er sank über dem Rad zusammen. Seine Beine zitterten. Attila, der Schreckliche, verbreitete Furcht im ganzen Land, aber einen kleinen Tropfen Heldensaft bekam er nicht aus den Lenden gepresst. Da musste ein Versehen vorliegen, keine Frage. Überall wurden Reagenzgläser vertauscht, Röntgenbilder, Babys, das war sicher auch bei Camille passiert.
    »Ist das ganz sicher?«, fragte er seine Frau.
    Sie sagte nur: »Hundert Prozent.«
    »Wir sollten unbedingt ein zweites Gutachten einholen«, fand Attila, vor allem eins auf psychologischer Grundlage. War doch völlig klar, dass Camille durcheinander war: die kulturelle Veränderung, der gesellschaftliche Druck, all das Neue und Ungewohnte. Es war völlig eindeutig, dass Camille die Schuld trug. Es musste nur bewiesen werden.

    »Ich finde, jetzt bist erst mal du an der Reihe«, sagte keck die

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