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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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Heckenpenner. Aber konnten es sich anscheinend leisten, mittags schon im Café herumzulungern. Attila hob die Hand zum Gruß. Alte Grundregel: Je weniger du dich an einen Menschen erinnern kannst, desto herzlicher begrüße ihn. Der Kotbraune grüßte freudig zurück. Um ein Gespräch zu vermeiden, strebte Attila ins Café. Hoffentlich war Bernhard noch nicht da. Attila verspürte enormen Druck auf dem Magen. Und marschierte direkt zur Toilette.
    Während er sich in der engen Klokabine mühte, seine revoltierenden Eingeweide möglichst geräuschlos zu entleeren, schoss ihm ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf: Er durfte ja gar nichts essen, nicht mal trinken, außer Wasser. Wie sollte er erklären, dass er sich eine Stunde lang mit einem stillen Wasser beschäftigte?
    Bernhard musste ihn für ein Sektenmitglied halten, für magersüchtig, ultrageizig oder abgebrannt, jedenfalls für einen Vollidioten.
    Minutenlang hatte sich Attila bemüht, das Plastik der Klobrille nicht zu berühren. Jetzt gab er auf. Mit einem Seufzer ließ er sich auf die Brille sinken. Seine Oberschenkel waren zu schwach. Sein Magen dankte es ihm mit einer kapitalen Furz-Sonate, die einen feinen Sprühregen von Abführsäure in der Schüssel verteilte. Erschrocken hörte Attila am Rauschen des Wasserhahns, dass sich draußen offenbar ein Zeuge befand, der sich soeben die Hände wusch.
    Attila hasste diese Momente, wenn er vom Klo zurück in eine Gaststätte kam und genau wusste, dass dort irgendwo ein Mensch saß, der geheimste Dinge von ihm wusste und sie bestimmt haarklein seiner Begleitung erzählen würde. Was wäre, wenn ausgerechnet Bernhard nun seinen Furz-Orkan mitgehört hatte?

    »Echte Kerle hatten vor der Wahrheit keine Angst, ziemlich selten jedenfalls. Und dann hatten sie einen guten Grund.«
    Attila hatte genau zwei Chancen: Entweder errichtete er für Bernhard ein komplexes Lügengebäude, das jederzeit einstürzen konnte. Oder er versuchte es schlichtweg mit der Wahrheit. Echte Kerle hatten vor der Wahrheit keine Angst, ziemlich selten jedenfalls. Und dann hatten sie einen guten Grund.

    Jochen fühlte sich schick in seinem braunen Anzug. Er hatte sich einen strategisch günstigen Platz zwischen Eingang und Zaun gesucht; alle Gäste mussten an ihm vorbei. Seit einer halben Stunde blätterte er nun schon in dem P-Magazin, aber es schien keinen Menschen zu interessieren. Auch das iPhone fiel nicht besonders auf. In dieser Wohngegend lag praktisch auf jedem Tisch eines davon.
    Zweimal hatte er versucht, eine einzelne Frau anzusprechen, ob sie nicht so ein schickes Handy geschenkt haben wollte. Die erste hatte so getan, als hörte sie ihn überhaupt nicht, die zweite hatte wortlos ihr iPhone aus der hinteren Jeanstasche gezogen. Der Kellner hatte schon skeptisch geguckt. Gäste, die nicht viel konsumierten, aber zugleich einen Strukturvertrieb im Café aufzogen, waren nicht übermäßig beliebt.
    Jochen spielte gelangweilt mit dem iPhone , als auf einmal dieser Typ den Garten betrat. Woher kannte er das blasierte
Gesicht? Ja, klar, der Jogger von der Tanke, der schon in aller Herrgottsfrühe durch die Stadt rannte. Merkwürdig, er war mit dem Rad gekommen. Jochen hätte ihn eher für einen Jaguar -Fahrer gehalten, der von morgens bis abends in einem Büro hockt und in der Mittagspause seine Assistentin vögelt. Anwalt oder so was.
    Die zackig hochrasierten Bürstenhaare am Hinterkopf im Zusammenspiel mit der lang gewachsenen Tolle vorne wie-sen auf den ewigen Popper hin, der schon in der Schule Lacoste -Polos und einen überheblichen Blick auf seiner Vespa spazieren gefahren und Segelschuhe mit weißen Sohlen getragen hatte. Heute trug er La Martina , was in seinem Ranking der peinlichsten Marken ganz dicht hinter Ed Hardy kam. Der Typ hatte offenbar keine Ahnung von Stil. Zum Laufen hatte er doch auch nur einen Blackberry dabei? Vielleicht war er reif für ein iPhone ?
    Ihre Blicke begegneten sich. Grüßen oder nicht, fragte sich Jochen. Er hob kurz das Kinn und sagte ein stummes Hallo. Das war ein Gruß, aber kein richtiger, halbwegs höflich, aber nicht peinlich. Der Popper stutzte einen Moment, dann erhob er die Hand zu einer richtigen offiziellen Geste der Begrüßung, er lächelte sogar.
    Jochen fühlte sich geschmeichelt. Dieser Mann hatte es nun wirklich nicht nötig, ihn zu grüßen. Natürlich konnte man den Popper für ein Arschloch halten, schon wegen der Frisur. Andererseits musste man auch mal anerkennen, dass er

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