Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
Vom Netzwerk:
versuchte, seine schweren Schuhe so zu setzen, dass er kaum Geräusche machte. Bei Karl May hatten ihn jene Passagen besonders fasziniert, in denen Winnetou und Old Shatterhand auf den Finger- und Zehenspitzen schlichen und selbst den kleinsten Blättern auswichen. Genau so bewegte sich auch Häuptling Cooler Panther. Maik träumte von einer Kanutour auf dem Yukon: Goldwaschen und Fliegenfischen, ganz allein. Echte Fliegenfischer banden ihre Fliegen selber, mit Haaren aus dem Gesicht eines Kaninchens, das sie eigenhändig gehäutet hatten. Männer, die nie ein Tier mit Haaren und vier Beinen selbst erlegt, abgezogen, gegrillt und verspeist hatten, waren keine Männer, fand Maik. Das ganze Leben war eine Mutprobe. Einem Hasen das Fell über die Ohren zu ziehen und dabei in seine niedlichen kleinen Knopfaugen zu blicken, das war ja wohl die geringste Übung. Nur wer hart sein konnte, war auch in der Lage, wirklich weich zu sein. Das würden Frauen leider nie kapieren.
    »Männer, die nie ein Tier mit Haaren und vier Beinen selbst erlegt, abgezogen, gegrillt und verspeist hatten, waren keine Männer, fand Maik. Das ganze Leben war eine Mutprobe.«

    Attila stöhnte leise. Es war keine gute Idee gewesen, mit dem Rad zu fahren. Sein Hinterteil brannte. Die Beine baumelten so leer an ihm herab wie bei einer Bauchrednerpuppe. Er hatte unterschätzt, was der lange Lauf heute Morgen und die Magenreinigung gleich darauf bei ihm anrichten würden. Er hatte überlegt, den Termin abzusagen. Aber wie hätte das gewirkt? Als Schwäche. Als Gleichgültigkeit. Als Bequemlichkeit. Es waren gerade die kleinen Gesten, die sich auf der Arbeitsebene herumsprechen und ihm eine menschenfreundliche Aura verleihen würden. Empathie war angesagt.
    Attila hatte lange überlegt, was er anziehen sollte. Es war ja keine rein dienstliche Besprechung, aber auch nicht nur privat. Attila wollte alles über Golf erfahren: Klubs, Reisen, vor allem Kontakte. Wie funktionierte das genau? Wo lag der von allen gepriesene Wert, wenn man stundenlang zuerst kleine weiße Bälle durch die Gegend drosch und hinterher noch viel länger danach suchte?
    Attila hatte lange im Ankleidezimmer zugebracht, um die richtige Garderobe zu finden. Zuerst hatte er einen hellen Sommeranzug ausprobiert, was auf seinem Wanderer -Rad allerdings eine Spur zu affig gewirkt hätte. Shorts fielen aus, er war ja nicht im Urlaub. Jeans waren womöglich immer noch eine Spur zu casual, aber das war Attila egal. Man musste auch mal ein Risiko eingehen. Und zu den Jeans das Poloshirt von La Martina mit »Team Nepal«.

    Attila mochte den kolonialen Charme. Wenn er sich eine Epoche aussuchen dürfte, in der er wiedergeboren werden würde, dann die große Zeit des Empires, als britischer Edelmann im Indien der Maharadschas, zwischen Tigerjagd und Edelsteinhandel. Dieses Polohemd gab ihm einen Hauch dieser Zeit. Dazu passte sein Magengrummeln.
    Eigentlich waren die vielen Gedanken zur Garderobe völlig überflüssig. Bernhard war nicht wirklich wichtig; ein alter Studienkollege, der als gut bezahlter Lobbyist für den Bundesverband mittelständischer Süßwarenhersteller durch muffige Abgeordnetenbüros streunte und für die Segnungen des Zuckers warb. Idealer Job für Bernhard, der eigentlich nichts konnte, aber schon als Jugendlicher ein starker Golfer gewesen war. Damit hatte er sich sein Leben lang alle wichtigen Zugänge verschafft.
    Bernhard wusste viel, kannte jeden, wurde überall eingeladen - und alles nur wegen der Golferei. Golf bedeutete offenbar eine ökonomische und gesellschaftliche Abkürzung, die nicht allein deswegen schlecht sein musste, weil Attila bislang noch nicht darauf gekommen war. Gleich nach dem Marathon würde er zum King of Greens aufsteigen. Die Bindinger hatte angeblich schon ein Handicap. Attila verkniff sich alle Wortspiele, die sich anboten.
    Als Attila den Garten des Cafés betrat, fiel ihm sofort der erwartungsvolle Blick dieses leicht aufgeschwemmten Mannes auf, der aussah, als sei er in diesen komischen durchfallbraunen Anzug hineingeschweißt worden. Woher kannte er den Typen, der da so angeberisch mit seinem iPhone spielte? Von Wesley jedenfalls nicht. Irgendein Dienstleister bestimmt, offenbar harmlos. Oder ein Computer-Heini, einer von diesen Systembetreuern, die ständig in allen Büros umherwieselten und heimlich speicherten, auf welchen Sex-Seiten er gesurft war.

    Diese Nerds sahen auch nach der zwölften Million noch aus wie die letzten

Weitere Kostenlose Bücher