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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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Einladung für das romantische Dinner noch stehe? Romantisches Dinner? Er konnte sich an nichts erinnern. Da war ich ja wieder richtig in Form, dachte Lars. Das sollte er Jasmin mal zeigen. Sein Bekannter, der Nachtclubbesitzer, hatte ihn für heute Abend auf zwei Gästelisten setzen lassen, das war Gold wert. Ohne Listenplatz war er schon mehrmals an der Tür gescheitert. Oder musste sich blöde Sprüche anhören wie: »Willst du deine Tochter abholen, oder was?« Egal. Doro smste ihre Vorfreude auf den Abend. Läuft doch, dachte Lars, läuft doch.

    MaiktrödelteaufdemHeimweg.ErwolltewederHeinz noch Leni eine Sekunde zu früh begegnen. Nur weil die beiden die Immobilie mitfinanziert hatten, dachten sie, sie könnten auch gleich darin wohnen. Maik hasste seine Schwiegereltern auf eine herrlich unkomplizierte Weise: Sie waren einfach rundum scheiße. Wie hatte er jemals auch nur eine Sekunde finden können, dass Ulrike und ihre Eltern eine mustergültige Familie wären? Wahrscheinlich nur, weil seine eigene Sippe sich auf ewig zerstritten hatte. Maik wollte heile Welt sehen damals. Dabei war das Grauen nur anders lackiert.
    Er wusste genau, wie es enden würde, wenn er sein eigenes Haus beträte. Nach spätestens drei Minuten würde seine Schwiegermutter fragen: »Was hat er denn schon wieder …?«, so laut, dass er, die Kinder, Heinz, alle hörten, was sie von ihm hielt: »er« - der Ossi, klar. - »schon wieder« - meckert ja eh nur. Das war kein Mobbing mehr, sondern offener Terror. Und Ulrike würde nur entgegnen: »Ach, Mama …« Sagenhaft, so viel Verteidigungsmut. Anstatt die alte Hexe in ihren albernen Matrosenklamotten
ein für alle Mal zum Teufel zu jagen. Er schrieb Ulrike eine SMS: »Bin spät dran: Schick Henry bitte raus.« Als er in die Straße bog, die ihm wie ein Querweg auf dem Friedhof erschien, sah er den weißen Mercedes von Heinz. Immerhin wienerte er nicht daran herum.
    Henry kam gerade aus der Tür. Sein Sohn mochte es, mit dem schweren Auto zum Fußball gebracht zu werden. Er sprang lässig auf den Beifahrersitz und ignorierte den Gurt. »Anschnallen ist für West-Berliner«, sagte Maik. Sein Sohn dachte genauso.
    »Wie war die Schule?«, fragte Maik.
    »Okay«, sagte Henry.
    »Viel Hausaufgaben?«
    Henry schüttelte den Kopf.
    »Spielst du am Wochenende?«
    »Keine Ahnung.«
    »Soll ich bleiben?«
    »Die anderen Eltern sind bestimmt alle da.«
    Henry wusste, dass sein Vater keine Lust hatte, eine Stunde lang auf der kleinen Steintribüne am Trainingsplatz auszuharren zwischen besorgten Fußball-Muttis in Goretex-Jacken, die Trinkflaschen und Tupper-Dosen mit matschigen Karottensticks bereithielten, falls der adipöse Sohn wegen Unterzuckerung kollabieren sollte.
    Früher hatten Maik und seine Freunde ganze Nachmittage auf dem Fußballplatz gebolzt, bis die Zunge wie Esspapier am Gaumen klebte. Die Mütter hatten weder Zeit noch Lust zur Betreuung und motzten allenfalls abends über schmutzige Hosen und abgewetzte Schuhe. Die Frauen hier waren völlig anders, jede Sekunde krankhaft bemüht, den Kindern die bestmöglichen Startchancen im Kampf gegen Milliarden Chinesen und Computer-Inder zu verschaffen.

    Im Fußballklub von Reihenhausen konnte man den Prozess der »Muttiplikation« prototypisch beobachten. Einstmals stolze, halbwegs selbstbewusste und bisweilen sogar einigermaßen attraktive Frauen verwandelten sich im Moment der Entbindung in Monstren, die mit finsterem Blick jede Regung ihres Kindes beobachteten, alle möglichen Indizien für Hochbegabung aufsaugten, viel lieber aber jegliche Verdachtsmomente für eine möglichst individuelle Krankheit.
    Heerscharen von Therapeuten siedelten rings um Reihenhausen, alle mit dem einen Ziel, gelangweilten Müttern die überreichliche Zeit mit Scheinproblemen zu vertreiben. Ein Kind ohne Therapie bewies doch nur eines: dass sich die Eltern nicht genug um den Nachwuchs kümmerten.
    Maik grüßte das gute Dutzend Muttiplizierter sehr knapp - nur keinen Vorwand für ein Gespräch liefern. Aber an einen Plausch war ohnehin nicht zu denken: Die Mütter gingen davon aus, dass der Trainer genau registrierte, welche Eltern der Übungseinheit aufmerksam folgten. Sie folgten dem Training mit maximaler Konzentration. So stiegen die Chancen, dass der Sohn am Wochenende für das Punktspiel in die Startelf berufen würde.
    Jede Mutter auf der Tribüne musste für den Trainer eine Drohung sein: »Wehe, Sie stellen meinen Jungen nicht auf - dann drücke ich

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