Der Vollzeitmann
kannte?
Vielleicht war er, Jochen, der Star einer großen, Jahre dauernden Fernseh-Serie, ohne es zu wissen - so wie die Truman-Show: geboren, aufgewachsen, gelebt fürs Fernsehen. Vielleicht hatte er deswegen keinen Sex, weil natürlich Kinder zuguckten, die seit Jahren mit Jochen-T-Shirts zur Schule gingen.
Eines Tages würde er genügend Punkte gesammelt haben und mit einem großen Finale belohnt werden. Er würde ein paar Millionen kassieren und die geilsten Frauen aus den Tausenden von Fanbriefen heraussuchen. Jochen gab die Hoffnung nicht auf, dass er etwas Besonderes war.
16 UHR
Martin stand wie jeden zweiten Tag in der Apotheke. Er war Premium-Kunde. Der Apotheker, ein pickeliger, dicker Mann mit weißen Klümpchen in den Mundwinkeln, sah branchentypisch ungesund aus, hatte ihm aber freiwillig zehn Prozent Rabatt auf alles eingeräumt. Normalerweise kaufte Martin Soja-Eiweiß, weil Dorothea glaubte, davon abzunehmen, er erwarb Vitasprint für sich und Orthomol für alle. Der Glaube an teure bunte Süßigkeiten, die mit ihrer leicht bitteren Note Heilkraft, Jugend und Vitalität versprachen, klebte ihn und Dorothea zusammen.
Heute war die Aufgabe besonders heikel. Dorothea hatte ihm morgens »ganz dünne Binden« auf seinen Aufgabenzettel geschrieben. Martin fühlte sich wie der Dienstbote. War er ja auch. Aber nicht für alles. Es gab Frauensachen, die sollte ein Mann gar nicht so genau wissen. Dazu gehörte zum Beispiel alles, was aus einem Slip ragen konnte und aussah, als habe es einen Langstreckenflug hinter sich. Ob »ganz dünn« eine Chiffre für »homöopathisch« war, also was Sanftes, eine Art Wellness-Binde, nicht so süß? Der Apotheker war wirklich ein feiner Kerl. Er grinste nicht mal, als Martin endlich seine Bestellung aufgab, nachdem alle anderen Kunden den Laden verlassen hatten. »Tja, da wollen wir mal sehen«, sagte der Pillendreher und ging auf ein Regal zu, das Martin noch nie zuvor gesehen hatte.
»Warum sind Frauen toll, wenn sie Kondome kaufen, aber Männer lächerlich, wenn sie nach Binden verlangen?«
Tatsächlich: Saugfähiges, so weit der Körper tropfte. Windeln, für Babys wie für Senioren, nur keine ganz dünnen Binden. Martin war froh, dass er sich in einem Alter befand, das ziemlich genau zwischen den beiden großen Windelphasen des Lebens lag. Frauen kannten dieses Gefühl ja gar nicht. Sie trugen fast immer Watte zwischen den Beinen. Während Martin und der Apotheker sich durch den Bindenberg arbeiteten und Packungsaufschriften studierten, traten zwei Zahnspangen-Mädchen durch die Tür.Als Martin die Teenies bemerkte, sagte er rasch: »Dann kommt meine Frau noch mal selber.« Er wollte die Wühlerei in dem peinlichen Regal umgehend beenden. Nachher dachten die jungen
Dinger noch, er brauchte Einlagen. Aber der Blödmann von Apotheker musste trotzdem noch mal alle Peinlichkeiten zusammenfassen. »Tja, tut mir leid, der Herr, ganz dünne Binden sind offenbar gerade ausverkauft.« Martin überlegte angestrengt: Was war peinlicher? Zuzugeben, dass er Binden für seine Frau kaufte? Oder die Mädchen in dem Glauben zu lassen, er leide an Inkontinenz? »Ich werd’s meiner Frau ausrichten«, sagte Martin so lässig, als kaufte er jeden Tag Tampons, Vaginalzäpfchen und Enthaarungscreme. Die Mädchen grinsten. Warum sind Frauen toll, wenn sie Kondome kaufen, aber Männer lächerlich, wenn sie nach Binden verlangen? Die Geschlechterdebatte musste von Grund auf neu geführt werden.
Zufrieden registrierte Lars drei neue SMS und vier verpasste Anrufe auf seinem Handy. Die Mails checkte er nebenbei. Neue Entlassungswelle bei der Konkurrenz, größerer Druck von ausländischen Anbietern, Umsatzeinbrüche. Appelle der Geschäftsführung: Das Unmögliche möglich machen, jetzt erst recht, der ganze Blödsinn.
Rita hatte ihm eine schlüpfrige Mail geschickt, sie hätte seinen Anruf heute Morgen leider verpasst, sie fragte, wann sie das nächste Mal »kommen« könnte, das fand sie witzig. Er schrieb zurück: »Jederzeit«.
Sein Kumpel aus dem Sportgeschäft schlug übermorgen als spontanen Termin für das nächste Männertreffen vor. Lars mochte diese Runden. Bier, ein halbes Hähnchen vom Grill, eine Runde Billard, das entspannte ihn ungemein. Sie redeten über Frauen und Fußball, aber blieben unter sich. In solchen Nächten wurde nicht gejagt. Er sagte sofort zu. Au weia. Eine SMS von dieser Sandy. Sie fand den Abend
total süß und würde ihn gerne wiedersehen. Ob die
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