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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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Abend! Wehe, der Wein taugt nicht!
    Martin hatte die verbliebenen Flaschen geöffnet, zum Atmen. Eine klebte im Auto, eine hatte er im Stress geleert, ohne es zu merken. Frederic, die Küchenschwuchtel, hatte allerdings auch ein Glas bekommen. Blieben noch fünf Flaschen. Er würde sich den Rest des Abends an Wasser halten. Holtkötter war keiner, den man sich freiwillig zum Essen einladen würde. Seine Frau sah aus wie Susan Boyle, die brachte er nie mit. Allein war er noch eine Spur unerträglicher. Holtkötter gehörte zur Generation Cohiba , Männer um die sechzig, die Golf, Zigarren und Rotwein für die wichtigsten Themen der Menschheit hielten und stundenlang über nichts anderes redeten, allerdings immer nur in Statements, denen nicht widersprochen werden durfte. So ungefähr mussten Kabinettsitzungen mit Helmut Kohl abgelaufen
sein: Vadder dozierte - und alle anderen hatten andächtig das Maul zu halten.
    Während er den Champagner aus dem Eisfach angelte, wiederholte Martin sein angelesenes Weinwissen:
    1. Der 2003er ist ja ganz nah dran am großen Jahrgang 1982 - enorm facettenreich, mit einem Hauch Pfeifentabak, aber auch kubanische Vanille und vollreife Sauerkirsche von leicht kalkigem Boden.
    2. Extra für Dorothea: Der Comtesse de Lalande gilt als der femininste unter den Pauillacs.
    3. Darf nicht zu lange liegen. Der Neunundfünfziger etwa wird nur noch durch ein spitzes Tanningerüst gehalten, was wohl am hohen Anteil Cabernet-Sauvignon liegt. Dagegen ist ein höherer Merlot-Anteil zu bevorzugen, der sich auch aufs Farbspiel auswirkt, vor allem an den mahagonifarbenen Rändern.
    Besonders die kubanische Vanille hatte es ihm angetan. Was wohl der Unterschied zur rumänischen Vanille war? Frederic dachte endlich mal mit und reihte vier Kelche auf. Wieso vier? »Koch muss Getränke kennen«, erklärte das Polen-Schlitzohr. Waren doch alle gleich, die Brüder.
    Als er den Schlüssel im Schloss hörte, verspürte Martin ein Schwanken und wusste nicht, ob es Angst war, der feminine Pauillac oder beides. »Showtime!«, flüsterte er verschwörerisch, griff nach der Champagnerflasche und drückte den Korken heraus, der knallend einen Halogen-Scheinwerfer in der Küche zerschoss. Schon Dorotheas erster Blick traf ihn tödlich.
    »Hellich willzkommen«, rief Martin und überlegte, warum seine warmen Worte so komisch klangen. Holtkötter blickte ihn belustigt an und reichte den Champagner, den Martin ihm in die Hand gedrückt hatte, an Dorothea weiter. »Ich würde gern erst ablegen.«

    Mit seinem Glas in der Hand stand Martin wie ein Idiot da. Dorotheas zweiter Blick tötete ihn noch schneller. Sie half Holtkötter aus dem Mantel und lächelte ihn eine Spur zu devot an, wie Martin fand. Dorothea guckte sich unauffällig um. Offenbar keine größeren Beanstandungen.
    »Jetzt dürfen Sie mir ein Glas anbieten«, sagte Holtkötter. Demütigen beim Eintreten, demonstratives Korrigieren, unvermitteltes Ansprechen - der Kerl hatte all diese Chef-Macken drauf. Martin stieß an, versuchte noch einmal ein »Herzlich willkommen«, diesmal richtig, und stürzte das Glas hinab.
    »Geht doch schon mal rein«, sagte er, »ich verschwinde nur rasch in der Küche.«
    Frederic hatte die Kaviar-Pfirsiche im Kühlschrank gelagert, er musste nur noch die Salbeiblätter frittieren. Das Lamm war fertig, Gratin und Bohnen fast, statt Nachspeise gab es Petits Fours und Käse aus dem KaDeWe. Frederic war soeben verschwunden. Alles sah gut aus, professionell dahingetupft. Es konnte nichts schiefgehen.
    Martin ging ins Wohnzimmer, die Champagnerflasche im Anschlag. Dorothea tat so, als habe sie die Terrasse selbst bepflanzt. Sie sah einigermaßen zufrieden aus, nachdem sie das Ergebnis kurz betrachtet hatte. »Achten Sie bitte auf die Gartenhandschuhe meiner Frau, die farblich zu den Griffen der Rosenschere passen, und das ist kein Zufall«, sagte Martin. Er fand den Spruch wahnsinnig komisch, stammte aus irgendeinem Film, aber Holtkötter guckte nur verständnislos. Dorothea tat so, als habe sie nichts gehört. Früher war sie stolz gewesen auf seine geistreichen Einwürfe. Martin schaltete die Scheinwerfer an. Den großen hätte er vielleicht nicht ganz so dicht an die Schilfbündel rücken sollen. Aber das Schattenspiel der Halme sah einfach zu toll aus.

    »Noch ein Schlückchen?«, fragte Martin.
    Holtkötter antwortete nicht gleich, sondern machte eine dieser völlig überflüssigen Chefpausen. »Im Prinzip sehr gern«, sagt er

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