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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann
Autoren: Achim Achilles
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Klamotten zu benennen, die ihr gefielen, und die womöglich auch noch von den Seilers gelobt würden, dann hatte er gewonnen. Suchte er etwas heraus, mitdemsie gar nichts anfangen konnte, war der Abend im Eimer.
    Maik dachte angestrengt nach. Ulrike trug gern Farben, Muster.Aber sie würde ihm Einfallslosigkeit vorwerfen. Er entschied sich für einen Überraschungsangriff: »In Schwarz
siehst du immer sehr dezent aus, sehr weiblich und ziemlich stark.«
    Ulrike schwieg. Sie dachte nach, was er mit seinen Worten wohl bezwecken wollte. Offenbar fiel ihr nichts ein. »Dann hol doch mal aus dem Schrank, was dir gefällt«, befahl sie.
    Sie wollte ihn offenbar weiter testen.
    Maik stand auf und ging zum Kleiderschrank. Für einen, der sich gerade erst hingelegt hatte, ein unglaublicher Liebesbeweis. Aber diese kleinen konkreten Liebesbekundungen merkten Frauen praktisch nie. Er schob Bügel um Bügel. Schließlich entschied er sich für eine Bluse, die auch ein Cowgirl hätte tragen können.
    Ulrike hob die Braue. »Die hatte ich ewig nicht mehr an.« »Na und«, sagte Maik, »schwarze Jeans dazu und Stiefel und super.«
    Ulrike widersprach nicht. Schon mal gut. Maiks Stilberatung schien ihr zu gefallen.
    Er legte sich wieder aufs Bett.
    Sie drehte sich um zu ihm und sagte ganz ruhig: »Du bist ein solches Granatenarschloch!«
    Maik grinste: Er wusste nicht, ob Ulrikes Feststellung eher generell gemeint war oder einen konkreten Anlass hatte. In beiden Fällen war er gewillt, ein Kompliment hinter dieser Beleidigung zu vermuten.
    Maik schloss die Augen. Das Problem mit Ulrike war, dass ihre Beziehung nicht blind funktionierte, so wie unter Männern, sondern nur mit festgeschriebenen Regeln. Mann und Frau können sich eben nie aufeinander verlassen, weil im Zweifelsfall alles, was nicht schriftlich fixiert und notariell beglaubigt wurde, am Ende immer gegen den anderen instrumentalisiert wurde.
    Heute Abend würde sich diese These wieder bestätigen,
Maik dachte nur: Nizza. Die Nizza-Story würde Ulrike ihm in hundert Jahren noch vorhalten, vor allem nach zwei Gläsern Wein und vor Publikum. Beide Voraussetzungen waren heute Abend gegeben.
    Maik hatte überhaupt keine Lust, mit einer Frau, die ihn absehbar beschimpfen würde, bei zwei Menschen einzulaufen, die ihn absehbar langweilen würden.

    Bretti war natürlich wieder mal zu spät. Wahrscheinlich besorgte er es Julia noch mal, und zwar so richtig schmutzig, dachte Jochen. Er dachte ziemlich oft an Sex, fiel ihm auf. Er hatte seinen Laptop auf den Küchentisch gestellt und surfte wahllos zwischen MySpace , Youporn , Friendscout24 und Facebook hin und her. Er hatte es auf genau drei Dates gebracht, die sich im Internet angebahnt hatten. Bei zweien war die Dame gar nicht erst erschienen.
    Angeblich dachte der normale Mann zweihundert Mal am Tag an Sex. Insofern war er ziemlich durchschnittlich, dachte Jochen. Durchschnittlichkeit war eine jener Disziplinen, in denen er kaum zu übertreffen war.Außer in punkto Kleidung, da legte er auf Individualität großen Wert.
    Ansonsten landete er bei allen Zeitschriftentests regelmäßig in der mittleren Gruppe. Er hatte an seinem Mittelmaß seit Jahren gelitten, bis er neulich in der Zeitung eine interessante Umfrage gelesen hatte: Wenn Frauen die Wahl hatten zwischen einem attraktiven Arbeitslosen, einem hässlichen Schlossherrn und einem netten Normalo, dann entschieden sich vier Prozent für den Schönling, sechs Prozent für den Grafen, aber neunzig Prozent für den Normalo. Insofern hatte er theoretisch beste Chancen auf dem Beziehungsmarkt.

    Vielleicht war er aber auch zu besonders. Mittelwerte setzten sich ja aus sehr hohen und sehr niedrigen Ergebnissen zusammen, die im arithmetischen Mittel nur Durchschnitt vortäuschten. Wenn ein Mann beispielsweise achthundert Mal am Tag an Sex dachte, gab es zugleich drei, die keinen einzigen Gedanken daran verschwendeten. Alle vier waren extrem, ergaben aber brutalstmöglichen Durchschnitt.
    Gerade in Sexdingen wollte natürlich niemand Mittelmaß sein. Beim Verdienst war Durchschnitt okay, bei der Schuhgröße auch, aber nicht im Bett. Alle wollten ein wildes, wildes Tier sein, das noch während des Aktes gute Noten bekam. Männer bewerteten, wenn überhaupt, erst hinterher. Das Motto galt: Lieber schlechten Sex als gar keinen. Und warum zurückblicken? Wichtig war doch die nächste Nummer, nicht die letzte.
    »Das Motto galt: Lieber schlechten Sex als gar keinen.«
    Jochen dachte
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