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Der Vollzeitmann

Titel: Der Vollzeitmann
Autoren: Achim Achilles
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dann - wieder Pause -, »aber vielleicht gönnen Sie der Flasche ein paar Minuten im Eisfach, statt sie unterm Arm auszubrüten.«
    Dorothea lachte wieder schallend ihr Anmachlachen. Wie billig. So hatte sie früher über seine Scherze gelacht, als er noch Mann war und nicht Haushaltshilfe und Mutterschaftspraktikant.
    Martin zweifelte einmal mehr an ihrer unbedingten Loyalität, versuchte einen souveränen Blick und sagte: »Aber gern, Herr Holtkötter«.
    Auf dem Weg zur Küche nahm er einen Schluck aus der Flasche. Das Zeug war nicht gerade polarkalt. Aber auch nicht wirklich warm. »Leck mich«, dachte Martin, steckte einen Cromarganlöffel in die halbleere Flache und öffnete die zweite.
    Im Eisfach hatte er alberne rote Eismanschetten gefunden. Er kramte im Gewühl der Speisekammer nach einem Kühler. »Dir sollen die Eier abfrieren«, brummte Martin. Als er mit der vermummten Flasche zurückkam ins Wohnzimmer, zog Dorothea just ihre Hand von Holtkötters Unterarm, ganz so, als sei sie erwischt worden.
    Martin überlegte für einen Moment: Was wäre eigentlich, wenn die beiden tatsächlich ein Verhältnis hätten, womöglich schon seit Monaten, und sie machten sich jetzt einfach einen Spaß daraus, ihn einträchtig zu veräppeln? Holtkötter würde eine solche Nummer jederzeit fertigbringen. Und Dorothea, seine Frau, die Mutter ihrer Kinder, die ihn nicht heiraten wollte? Sie wahrscheinlich auch.

    Es gab nicht viele Argumente, die für eine Schwiegermutter sprachen, eigentlich nur eines: ihr offenbar genetisch bedingter Trieb, den Haushalt in Ordnung bringen zu wollen. Maik musste einfach nur lange genug am Tisch sitzen bleiben und so tun, als hörte er dem Monolog der alten Dame darüber zu, dass schon ihre Tochter Ulrike so gerne Teewurst gemocht habe, aber nur die feine, und dass die Kinder ja jetzt auch so gerne Teewurst mochten, aber auch nur die feine, und dass man ja gerade bei Teewurst doch gewaltige Unterschiede im Geschmack feststellen könnte, aber die von der Metro sei eben doch die beste, wenn auch nicht ganz billig.
    Heinz raunte nur, dass man bei Teewurst nie wisse, was wirklich darin verarbeitet sei, nicht mal bei der Metro . »Vielleicht Schweineohren«, sagte Maik.
    Die Kinder lachten.
    Für ein paar Sekunden war das Familienleben leicht und unbeschwert - ein Rama -Moment. Leni guckte glücklich. Das war der ideale Augenblick, um sich zu verkrümeln. »Du, Leni, ich muss ganz dringend noch zwei Angebote rausschicken, wirklich fette Jobs«, sagte Maik im Wissen, dass er Leni mit der Aussicht auf guten Verdienst immer beeindrucken konnte.
    »Geh schon«, sagte die Schwiegermutter und schob die Teller zusammen: »Ich kümmer’ mich um die Kinder.« Maik erklomm die Treppe. Er wollte sich noch ein paar Minuten aufs Bett legen. Im Schlafzimmer saß Ulrike und schminkte sich. Maik legte sich aufs Bett und berührte ihren Hintern vorsichtig mit seinem Knie. Immerhin: Sie zog ihn nicht weg. Dann war ihre Verstimmung nur halbschwer. Ulrike klopfte an ihren Tränensäcken herum; wahrscheinlich wieder ein sündteures Wundermittel gegen Falten, das in die Haut eingehämmert werden musste.

    »Was soll ich anziehen?«, fragte Ulrike unvermittelt.
    Maik schwieg. Jetzt keinen Fehler machen. Bei kaum einer Frauenfrage klafften Denken und Reden weiter auseinander. Maik dachte: Ganz einfach: Spring in deine High Heels, schnall einen saukurzen Rock um und beschränke dich obenrum auf irgendwas Hauchdünnes, das bis zum Nabel aufgerissen ist.
    Das konnte er natürlich nicht sagen. Denn erstens verfügte Ulrike nur entfernt über diese Art von Garderobe. Zweitens fühlte sie sich in einem solchen Aufzug nie wohl, weil sie entweder ihre Beine, ihren Bauch oder ihren Hintern zu dick fand. Und seit Michelle Obama den Oberarm als weibliche Problemzone weltweit etabliert hatte, fühlte Ulrike vor dem Spiegel jeden Morgen auch noch die Spannkraft ihres Bizeps’. Immerhin: Das Gewebe lappte noch längst nicht so schlaff vom Knochen wie bei Leni.
    An Müttern konnte man ja ganz gut ablesen, was man künftig von der Tochter zu erwarten hatte. Jeder Truthahn wäre froh, wenn er Kehlenlappen wie Lenis Oberarmbeutel hätte. Mit ihrem albernen Nordic Walking würde Ulrike der Schwerkraft kaum entgegenwirken können. Maik hoffte auf den medizinischen Fortschritt.
    Ulrike sagte: »Und?«
    Ach ja, die Textilfrage. Maik wusste, dass er in diesen Sekunden die Weichen für den ganzen weiteren Abend stellte. Wenn es ihm gelang,
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