Der Vormacher
Essensresten und ein paar Bierdosen. Ich habe Theodora noch nie Bier trinken gesehen. Da höre ich es: Theodoras spitzes Stöhnen, ungehemmt diesmal, untermalt von einem tiefen Geräusch, eine Art Brummen, etwa so, wie ich mir die Laute einer Seekuh vorstelle.
Ich halte mich am Türrahmen fest. Ruhig, denke ich, ganz ruhig atmen. Theodora lässt sich’s besorgen. Na und? Es wäre doch ein Wunder, wenn eine attraktive, junge Frau es sich nicht hin und wieder besorgen lassen würde. Aber warum macht der Kerl Geräusche wie ein altersschwaches Nebelhorn? Und warum lässt sie sich nicht von mir ficken, wenn sie es doch so dringend nötig hat? Ich weiß die Antwort, und sie tut weh. Sie will nichts von mir, sie will nicht mit mir, ich bin als Mann nicht interessant für sie, wahrscheinlich bin ich gar kein Mann mehr für sie. Und ist das ein Wunder? Seit Wochen wohne ich bei ihr und habe keinen einzigen Vorstoß gewagt! Sie muss denken, dass ich impotent bin. Mein Atem geht schwer, ich stehe in einem Tal zwischen zwei dunklen Bergen, die sich höher und höher neben mir auftürmen, um mich im nächsten Moment unter sich zu begraben. Da fällt mein Blick auf die Plastikbehälter mit der roten, glasigen Soße zwischen den Bierdosen. Theodora und ihr Bettgenosse haben chinesisch gegessen. Fritz. Was würde Fritz sagen?
»Im Leben passieren Dinge, aber was für Dinge das eigentlich sind, gute oder schlechte, das liegt an dir.«
Wie Schuppen fällt es mir von den Augen. Es liegt an mir, ob ich mich schlecht und klein fühle, weil Theodora mit einem anderen schläft. Es liegt an mir, ob ich mir das Gestöhn aus ihrem Zimmer zu Herzen gehen lasse oder ob ich darüber lache. Was ist schon dabei? Zwei Säugetiere, die fröhlich ihrem Fortpflanzungstrieb nachgeben. Anstatt mich so verrückt zu machen, sollte ich diesen Abend als Erfahrung betrachten. Ich setze mich auf einen Stuhl. Ich hole tief Atem. Ich lausche dem Stöhnen und denke nichts dabei. Jetzt schreit sie fast! Aber ganz egal, lass sie schreien, soll sie schreien, es liegt an mir, ob ich sie mir bei jedem kleinen Schrei vorstelle, wie sie in ihrem Bett liegt und es sich selbst macht, dabei macht sie es sich gar nicht selbst, einer liegt auf ihr drauf oder unter ihr drunter oder neben ihr und … ich beiße mir in den Fingerknöchel. Ich muss anders darüber denken! Es ist mir egal, was sie macht, es lässt mich kalt. Ich sehe darüber hinweg. Ich will es gar nicht wissen. Besser noch, ich will es wissen, um es gut zu finden. Es ist gut, wenn Theodora sich ficken lässt. In den Arsch, in die Fotze, in den Mund, in die Nase, ins Ohr oder am besten überall gleichzeitig. Theodora ist ein Schwanzschweinchen, und das ist gut so! Ich gönne es ihr von ganzem Herzen. Sie ist jung, sie muss sich ausleben, sie muss ihr junges Fleisch streicheln lassen, bevor es runzlig wird. Ich freue mich darüber, dass sie sich ficken lässt. Ich freue mich so sehr, dass es mir egal ist, wer seinen Schwanz in sie hineinsteckt. Es ist mir so vollkommen egal, dass ich es mir anschauen werde. Ich will wissen, wer sie fickt, damit ich ganz sicher spüre, wie egal es mir ist, wie egal er mir ist. Ruhig, wohlwollend, lächelnd erhebe ich mich und schreite den Flur entlang, ich setze meine Schritte im Rhythmus, den mir Theodoras Ächzer vorgeben. Gemächlich sinke ich auf ein Knie herab, ich lasse mir Zeit, meine Neugierde ist eine unbeteiligte, beinah gleichgültige Neugierde, jetzt schreit sie wieder, ob sie wohl schon kommt? Noch lauter kann man ja kaum schreien! Ich spähe durchs Schlüsselloch. Die Nachttischlampe brennt, wie beim letzten Mal, aber diesmal ist Theodora nicht von der Decke bedeckt, sie liegt nicht einmal auf dem Bett, stattdessen kniet sie auf dem Holzfußboden, splitternackt, mir zugewandt, ich sehe direkt in ihr verzerrtes, schweißüberströmtes Gesicht, und hinter ihr, in ihr, im gelben Schein der Lampe, kniet ein Mann mit Bauch und dichtem schwarzem Brusthaar, erst nach einem Moment erkenne ich sein Gesicht, dann zucke ich vor Schreck zusammen und stoße mir den Kopf an der Türklinke, mühsam unterdrücke ich den Schmerz und presse mich wieder vors Schlüsselloch – es besteht kein Zweifel: Es ist Emil. Wie ein Dampfhammer fährt sein Becken vor und zurück, er rammt in sie hinein, als wäre er ein Hammer und ihr Arsch ein Nagel, jetzt klatscht es bei jedem Stoß, und ihre Brüste zittern, jetzt beißt sie sich auf die Lippen, jetzt fällt sie beinah nach vorne … ich
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