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Der Wachsblumenstrauß

Der Wachsblumenstrauß

Titel: Der Wachsblumenstrauß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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allerdings wenig. Auf seinem Gesicht lag noch immer ein etwas düsterer Ausdruck.
    »Mr Entwhistle ist nicht gekommen, um uns über die Zukunft schwärmen zu hören, Rosamund«, sagte er. »Halt mal eine Weile den Mund und lass ihn erzählen, warum er gekommen ist.«
    »Es gibt nur ein oder zwei Dinge, die noch geregelt werden müssen«, begann der Notar. »Ich bin gerade aus Lytchett St. Mary zurückgekommen.«
    »Dann war es also wirklich Tante Cora, die umgebracht worden ist? Wir haben’s in der Zeitung gelesen. Und ich sagte, es muss meine Tante sein, weil der Name eher ausgefallen ist. Die arme Tante Cora. Bei Onkel Richards Beerdigung habe ich sie angeschaut und mir gedacht, wenn man eine so alte Schachtel ist wie sie, könnte man genauso gut gleich tot sein – und jetzt ist sie wirklich tot. Gestern Abend wollte mir keiner glauben, dass der Mordfall mit dem Beil, der in der Zeitung stand, meine Tante ist! Sie haben nur gelacht, stimmt’s, Michael?«
    Michael Shane schwieg. »Zwei Morde nacheinander«, fuhr Rosamund mit wachsender Begeisterung fort. »Das ist fast zu viel des Guten, nicht?«
    »Red keinen Unsinn, Rosamund. Dein Onkel Richard ist nicht ermordet worden.«
    »Cora war anderer Meinung.«
    Mr Entwhistle unterbrach das Gespräch. »Sie sind nach der Beerdigung nach London zurückgefahren, nicht wahr?«
    »Ja, mit demselben Zug wie Sie.«
    »Ach ja, natürlich… natürlich. Ich frage nur, weil ich Sie am nächsten Tag anzurufen versuchte…« Er warf einen Blick aufs Telefon. »Mehrfach sogar, aber es hat nie jemand abgehoben.«
    »Oh, das tut mir Leid. Was haben wir denn an dem Tag gemacht? Vorgestern. Bis etwa zwölf Uhr waren wir hier, oder? Und dann bist du los, um zu sehen, ob du Rosenheim erwischst, und bist hinterher mit Oscar Essen gewesen und ich bin einkaufen gegangen. Ich wollte Nylonstrümpfe besorgen und ein paar andere Sachen. Eigentlich war ich mit Jane verabredet, aber wir haben uns verpasst. Stimmt, ich habe einen wunderschönen Einkaufsbummel gemacht an dem Nachmittag, und abends haben wir im Castile gegessen. So um zehn Uhr waren wir wieder hier.«
    »Etwa um zehn«, stimmte Michael zu. Er betrachtete Mr Entwhistle nachdenklich. »Weswegen wollten Sie uns anrufen, Sir?«
    »Ach, es ging nur um ein paar Kleinigkeiten in Zusammenhang mit Richard Abernethies Testament – eine Unterschrift auf ein paar Dokumenten – derlei Dinge.«
    »Bekommen wir das Geld sofort oder müssen wir noch Ewigkeiten darauf warten?«, fragte Rosamund.
    »Ich fürchte, die Mühlen des Gesetzes mahlen langsam«, antwortete Mr Entwhistle.
    Rosamund sah erschrocken auf. »Aber wir können doch einen Vorschuss bekommen, oder nicht? Michael sagte, das ginge. Es ist nämlich sehr wichtig. Wegen des Stücks.«
    »Ach, eigentlich eilt es nicht. Es ist nur die Frage, ob wir die Option wahrnehmen oder nicht«, widersprach Michael zuvorkommend.
    »Es ist gar kein Problem, Ihnen einen Vorschuss zu geben«, erklärte Mr Entwhistle. »So viel Sie brauchen.«
    »Dann ist es ja gut.« Rosamund seufzte erleichtert auf. »Hat Tante Cora Geld hinterlassen?«, erkundigte sie sich beiläufig.
    »Ein bisschen. Sie hat es Ihrer Cousine Susan vermacht.«
    »Susan – warum denn ihr? Ist es viel?«
    »Ein paar hundert Pfund und einige Möbel.«
    »Schöne Möbel?«
    »Nein«, antwortete Mr Entwhistle.
    Rosamund verlor das Interesse. »Es ist wirklich seltsam, nicht?«, sagte sie. »Nach der Beerdigung platzt Cora heraus mit ihrem ›Er ist doch ermordet worden!‹, und keine vierundzwanzig Stunden später wird sie selbst umgebracht. Das ist doch wirklich seltsam, oder nicht?«
    Einen Augenblick herrschte unbehagliche Stille. Dann sagte Mr Entwhistle leise: »Doch, es ist in der Tat sehr seltsam…«
     
     

IV
     
    Mr Entwhistle musterte Susan Banks, die sich über den Tisch vorbeugte und auf ihre angeregte Art sprach.
    Sie hatte nichts von Rosamunds Liebreiz, aber ihr Gesicht war attraktiv, und seine Attraktivität lag in seiner Lebendigkeit, wie Mr Entwhistle feststellte. Ihre Lippen waren voll und rund – der Mund einer Frau, und ihr Körper war sehr weiblich – ausgesprochen weiblich. Doch in vieler Hinsicht erinnerte Susan ihn an ihren Onkel Richard Abernethie. Ihre Kopfform, ihr Kinn, die tief liegenden, nachdenklichen Augen. Sie hatte dieselbe dominante Persönlichkeit wie Richard, dieselbe unermüdliche Antriebskraft, denselben Weitblick und klaren Verstand. Von den drei Mitgliedern der jüngeren Generation schien

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