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Der Wachsblumenstrauß

Der Wachsblumenstrauß

Titel: Der Wachsblumenstrauß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Friedens! Ich bitte Sie, vergessen Sie das nicht, wenn ungute Gefühle Sie überkommen, wie es zweifellos der Fall sein wird. Wie ich höre, bestand auch die Möglichkeit, dass hier eine Schule eingerichtet würde – keine normale Schule, ein Kloster, das von religieuses geleitet werden sollte – von Nonnen, so sagen Sie doch, nicht wahr? Wäre Ihnen das lieber gewesen, vielleicht?«
    »Absolut nicht«, antwortete George.
    »Das Heilige Herz Mariä«, fuhr Poirot fort. »Zum Glück konnten wir dank der Großzügigkeit eines anonymen Wohltäters ein etwas höheres Angebot machen.« Er wandte sich direkt an Miss Gilchrist. »Ich glaube, Sie mögen Nonnen nicht?«
    Miss Gilchrist errötete und blickte peinlich berührt beiseite.
    »Ach, Mr Pontarlier, Sie dürfen nicht… ich meine, das ist nichts Persönliches. Aber ich glaube nicht, dass es richtig ist, sich so von der Welt abzusondern – es ist nicht nötig, wollte ich sagen, und fast schon selbstsüchtig, natürlich nicht diejenigen, die Schulen führen, oder diejenigen, die sich um die Armen kümmern – ich bin sicher, die Frauen sind völlig uneigennützig und wollen nur Gutes tun.«
    »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie jemand Nonne werden möchte«, sagte Susan.
    »Aber es sieht wunderschön aus«, meinte Rosamund. »Erinnere dich – letztes Jahr, die Wiederaufführung von Das Wunder. Sonia Wells sah einfach hinreißend aus.«
    George meldete sich zu Wort. »Was ich einfach nicht verstehen kann, ist, warum es dem guten Herrgott gefallen sollte, wenn man sich wie im Mittelalter verkleidet. Denn was anderes ist die Nonnentracht ja nicht. Bloß unpraktisch und unhygienisch.«
    »Und dann sehen sie sich alle so ähnlich, nicht?«, sagte Miss Gilchrist. »Es ist dumm von mir, wissen Sie, aber ich habe einen richtigen Schreck bekommen, als ich im Haus von Mrs Abernethie zur Tür ging und draußen stand eine Nonne und bat um eine Spende. Irgendwie kam sie mir als genau dieselbe vor wie diejenige, die am Tag der gerichtlichen Untersuchung von der armen Mrs Lansquenet in Lytchett St. Mary sammelte. Fast hatte ich das Gefühl, als würde sie mich verfolgen!«
    »Ich dachte, Nonnen würden immer nur zu zweit Spenden sammeln«, meinte George. »Darum ging’s doch in irgendeinem Krimi, oder?«
    »Da war’s nur eine«, sagte Miss Gilchrist und fügte redselig hinzu: »Vielleicht müssen sie ja sparen. Außerdem kann es gar nicht dieselbe Nonne gewesen sein, weil die andere für eine Orgel für St. – Barnabas, glaube ich – gesammelt hat und diese für etwas ganz anderes… irgendwas mit Kindern.«
    »Aber beide hatten dieselben Gesichtszüge?«, fragte Hercule Poirot. Er klang interessiert. Miss Gilchrist wandte sich zu ihm.
    »Ich glaube, das muss es gewesen sein. Die Oberlippe – fast, als hätte sie einen Schnurrbart. Wissen Sie, ich glaube, das hat mich so erschreckt – ich war ja sowieso sehr angespannt in der Zeit, und dann sind mir wieder die Geschichten aus dem Krieg eingefallen von Nonnen, die in Wirklichkeit Männer aus der Fünften Kolonne waren und mit dem Fallschirm abgesprungen sind. Das war natürlich sehr dumm von mir. Das ist mir hinterher klar geworden.«
    »Eine Nonne wäre eine gute Verkleidung«, meinte Susan nachdenklich. »Dann sieht man nicht die Füße.«
    »Aber eigentlich sieht man andere Leute fast nie richtig an«, sagte George. »Deswegen hört man ja vor Gericht von den verschiedenen Zeugen auch völlig unterschiedliche Beschreibungen von ein und demselben Menschen. Ihr würdet euch wundern. Ein Mann ist schon oft als groß und als klein beschrieben worden, als dünn und dick, blond und dunkel, mit hellem und dunklem Anzug, und so weiter. Meistens gibt es einen zuverlässigen Zeugen, aber den herauszufinden, das dauert.«
    »Es ist ja auch seltsam, wenn man sich selbst unerwartet im Spiegel sieht«, fügte Susan hinzu, »und gar nicht weiß, wen man da sieht. Das Gesicht kommt einem irgendwie bekannt vor. Und man sagt sich: ›Das ist jemand, den ich eigentlich ganz gut kenne…‹, und plötzlich wird einem klar, dass man es selbst ist!«
    »Noch schwieriger wäre es, wenn man sich wirklich selbst sehen könnte – und nicht als Spiegelbild«, ergänzte George.
    »Wieso?«, fragte Rosamund verwundert.
    »Na ja, versteh doch, man sieht sich selbst nie so, wie andere einen sehen. Man sieht sich immer nur im Spiegel – also seitenverkehrt.«
    »Aber wieso sieht man da anders aus?«
    »Das ist doch klar«, sagte Susan rasch.

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